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Dienstag, 19. März 2024
   
 

Eine sehr direkte Sublimation

Simone Meier im Gespräch über ihren Roman "Fleisch"

Anna und Max, beide Mitte vierzig, sind ein Paar aus Bequemlichkeit. Doch dann verliebt sich Anna in Lilly, schläft aber mit einem Filmstar, Max verfällt Sue, die hat allerdings nur gegen Geld Sex mit ihm.
Simone Meier über Jugendlichkeit und Alter, Selbstverlust und die Sehnsucht nach zwischenkörperlicher Nähe in ihrem Roman Fleisch. Fleisch erscheint am 31. Januar 2017.

Simone Meier im Gespräch


In der Eröffnungsszene Ihres neuen Romans Fleisch bekommt Annas Hintern ein vernichtendes Urteil vom Schönheitschirurgen. Ist Altern ein vorrangig ästhetisches Problem?
Simone Meier:
Nein, aber die Ästhetik ist heute vom Altern am empfindlichsten und direktesten betroffen. Altern ohne Eingriffe hat heute – jedenfalls im Spiegel der Medien – absoluten Seltenheitswert. Botox ist das neue Nivea.
 
Titelgebend  für Ihren Roman ist nicht nur das Fleisch üppiger Schenkel, sondern auch das saftige Fleisch von Steaks und Pasteten. Die Protagonisten Ihres Romans verschlingen es hemmungslos und massenhaft. Warum sind sie so gierig?
Simone Meier:
Es gibt erschreckend viele Sexszenen im Buch, mindestens so viele wie kulinarische Orgien. Essen und Sex sind sehr sinnliche, sehr physisch erfahrbare, genussreiche Tätigkeiten. Und Fleisch zu essen, ist im Roman eine sehr direkte Sublimation von Sex, beziehungsweise von guter, tröstlicher oder aufregender zwischenkörperlicher Nähe, von der immer irgendwie zu wenig da ist.
 
Sex kommt in Ihrem Roman in ganz unterschiedlichen Rollen vor: Als dankbare Gefälligkeit, gegen Geld und aus kurzfristiger Leidenschaft. Sogar als Ausdruck von Liebe begegnet er uns. Ist Fleisch eine Bestandsaufnahme des Begehrens im Jahr 2017?
Simone Meier:
Das klingt super und das würde ich so wahnsinnig gern in einer Kritik lesen. Aber nein, Fleisch ist natürlich überhaupt keine Bestandsaufnahme, dazu ist es viel zu lückenhaft.  Es ist eher ein winzig kleiner Beziehungsreigen innerhalb einer überschaubaren Gruppe von Zufallsbekanntschaften. Aber zwischen denen ist schon so einiges möglich. Und zwischen Menschen und Pornofilmen natürlich auch. Und etwas autoerotischer Kram. Uuund ... Nein, mehr ist da wirklich nicht.
 

Simone Meier, geboren 1970 in Lausanne, ist Autorin und Journalistin – früher bei der »Wochenzeitung« und beim »Tages-Anzeiger«, heute bei »watson« – in Zürich. Sie hat diverse Preise und Stipendien gewonnen. Ihr Romanerstling »Mein Lieb, mein Lieb, mein Leben« erschien im Jahr 2000. Simone Meier lebt glücklich von Liebe, Fleisch und Fernsehen. Und vom Schreiben.


In einer eindrücklichen Szene betrachtet sich Anna im Spiegel. Sie selbst, stellt sie fest, schwindet mit den Jahren aus ihrem Gesicht und ihrem Körper. Stattdessen sieht sie die Frauen, die vor ihr kamen, die Mutter, die Großmutter, die Urgroßmutter. Wird das weibliche Erbe durch den Körper weitergegeben?
Simone Meier:
Nicht nur das weibliche! Das habe ich zwar zuerst gedacht, aber dann haben mich auch Männer, die plötzlich ihren Vater und nicht mehr sich selbst im Spiegel sahen, auf diese Szene angesprochen. Es scheint tatsächlich ein existentieller Schlüsselmoment für viele zu sein, dieses: Ich verliere mich im anderen. Da arbeitet man so lange daran, sich zu finden, sagen wir, bis etwa 30, und ab 40 übernehmen die Vorfahren und man wird sich selbst schon wieder entzogen. Oft ist das zum Glück bloß ein gespenstisches, schauerromantisches Gefühl, das Aussenstehende überhaupt nicht bestätigen können. Aber ich würde gerne mal eine saubere psychoanalytische Deutung davon lesen.
 
Gibt es Vorbilder?
Simone Meier:
Oh ja! Ganz große, an denen ich mich niemals zu messen wage, aber ohne sie hätte ich keinen Roman schreiben können. Lieblingsromane der letzten Jahre sind Die Liebeshandlung von Jeffrey Eugenides und Von der Schönheit von Zadie Smith, zwei Bücher, die mir das schönste, erfüllendste und eskapistischste Leseerlebnis ermöglichten. Mein liebster Bücherschreibmensch überhaupt ist Stephen King, von dem würde ich mich gern adoptieren lassen. So ein unfassbar angenehmer Mann! Wir könnten uns den ganzen Tag über Tschechow und James Joyce unterhalten und darüber, dass Lisey’s Story Stephen Kings bester Roman ist. Da sind wir uns nämlich einig. Dann habe ich ganz viele Krimis und Gesellschaftsromane von Margaret Millar aus den 50ern gelesen, ich bin total begeistert davon, wie elegant sie einer Geschichte einen Film-noir-Twist zu verleihen weiß. Aber mein kreativer Kick für Fleisch war Miranda Julys Der erste fiese Typ: Ich las, weggetreten vor Begeisterung, diesen sehr schrägen Roman über das Leben einer 43-Jährigen, deren Neurosen völlig abstrus, ja surreal sind, die aber als literarisches Konstrukt irrsinnig gut funktionieren und problemlos eine Normalität für sich beanspruchen können. Ich legte das Buch weg, fühlte mich total befreit und schrieb los.

Fleisch
Autorin: Simone Meier
Verlag: Klein & Aber  
Preis: 22,00 Euro
ISBN: 978-3-0369-5754-8

 

Veröffentlicht am: 14.12.2016

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