
(Thomas  Geisler, Redakteur beim pd-f) E-Bikes für Kinder? Wirklich?  Vor ein  paar Jahren noch sorgte die Vorstellung für Abneigung und  Kopfschütteln.  Heute sieht das anders aus. 
Auf der Eurobike 2024 präsentiert  sogar Traditionshersteller Puky bei  seiner sportiven Marke Eightshot ein  E-Mountainbike für Kinder und  reiht sich damit in die Reihe der  Kinderfahrzeughersteller ein, die  Kinderräder unter Strom setzen. Das  neue „Loamer“ rollt auf  24-Zoll-Rädern, hat einen Hinterradnabenmotor  und einen kleinen Akku,  der eine Reichweite bis 60 Kilometer ermöglichen  soll. Das Thema ist  gesetzt.
Schritt zu mehr E-Mobilität im Alltag
Als  Vater von zwei Kindern im Zielgruppenalter – Eightshot gibt als   empfohlenes Alter sieben Jahre an – bin ich bei dem Thema zwiegespalten.   Ich sehe definitiv die Vorteile. Die Anzahl der Kinder, die nicht mehr   Radfahren lernen, steigt, gab die Landesverkehrswacht Niedersachsen  2023  bekannt. Kinder, die keine Lust aufs Radfahren haben, bekommen  dank den  E-Bikes einen neuen Anreiz. Das Kinder-E-Bike kann hier, wie  bei den  Erwachsenen, ein Gamechanger werden. Warum sollte der Nachwuchs  nicht  von den Vorzügen eines E-Bikes profitieren, wenn die Eltern auch  mit  elektronischer Unterstützung unterwegs sind? Und für Jugendliche  stellt  das E-Bike im Alltag oftmals die einzige Möglichkeit dar, um  längere  Wege selbstständig zu absolvieren. Die Elektromobilität ist  gekommen, um  zu bleiben. Und je früher sich Kinder damit  auseinandersetzen, desto  schneller wird E-Mobilität zur  gesellschaftlichen Normalität. Hinzu  kommt, dass die Kinder mit höheren  Geschwindigkeiten fahren und die  Differenzgeschwindigkeit zu den  Eltern auf E-Bikes nicht so deutlich  ausfällt. Das bringt den Kindern  mehr Lust aufs Radfahren. Und wer aus  „eigener Kraft" einen Anstieg  meistert, steigert sein Selbstbewusstsein.  Zwei Faktoren, die die  kindliche Entwicklung positiv beeinflussen  können.
Von der Freizeit in den Alltag
Ich finde es  deshalb gut, dass das Thema von der Fahrradbranche  aufgegriffen wird und  vermehrt Angebote auf den Markt kommen.  Allerdings spielt das Thema  E-Bike aktuell fast ausschließlich im  Freizeitbereich eine Rolle,  genauer bei E-Mountainbikes. Es sollte aber  aus meiner Sicht eher die  Lust auf E-Mobilität auf alltäglichen Wegen  fördern. Gerade mit Blick  auf den Klimawandel ist es wichtig, dass  Kinder frühzeitig das Fahrrad  als Mobilitätsmittel in den Städten  (wieder) entdecken. Wenn das E-Bike  der entscheidende Schlüssel dafür  ist, dann sind mir die Fahrzeuge viel  lieber als noch mehr Elterntaxis  in den Städten. Doch innerstädtisch  bestehen Probleme, die bereits seit  der Einführung von E-Bikes für  Erwachsene, damals in erster Linie  Rentner:innen, bekannt sind:  Autofahrende könnten die höheren  Geschwindigkeiten der Kinder falsch  einschätzen, was gerade beim  Abbiegen zu Unfällen führen kann. Und  langsam zu fahren, mit einem über  15 Kilogramm schweren Bike, kann  Kinder schnell überfordern, gerade  wenn sie ausweichen oder abrupt  bremsen müssen. Auch beim Absteigen  oder einem Sturz ist das Gewicht des  Rades spürbar. Bei Erwachsenen  haben sich diese Debatten in den letzten  Jahren selbst erledigt und die  Vorteile überwiegen. Ob das bei den  Kinder-E-Bikes auch der Fall sein  wird? Ich würde mich freuen.
Vorab-Erfahrungen sind wichtig
So  oder so: Man darf jetzt nicht den Fehler machen und denken, dass die   Kinder am besten direkt auf einem E-Bike das Radfahren lernen. Sie   sollten vorab bereits Rad fahren können und erste Erfahrungen gesammelt   haben. Dann gilt es, sich langsam heranzutasten und das Fahren in einem   Schonraum zu üben – z. B. mit unterschiedlichen Unterstützungs-Modi  und  Geschwindigkeiten, um ein Gefühl für Rad und Antrieb zu bekommen.  Auch  einmal eine Vollbremsung zu absolvieren ist wichtig, um zu testen,  wie  sich das Rad in einer derartigen Situation verhält. Ein Helm  sollte  dabei zur Grundausstattung zählen, ebenso wie Handschuhe. Je  nach  sportlichem Einsatzzweck machen vielleicht auch Protektoren Sinn.
Preis bleibt der Knackpunkt
Spannend  bleibt die Entwicklung auch aufgrund des Preises: Ein gut   ausgestattetes Kinder-E-Bike kostet schnell über 2.000 Euro. Für   Familien, die bereits jetzt unter den teilweise hohen Preisen für gute   Kinderräder ächzen, eine teure Investition. Hier muss die Branche einen   schwierigen Spagat schaffen: Radfahren darf nicht zum Luxus werden,  aber  es sollen keine billigen Räder auf den Markt rollen, die die  Sicherheit  und Gesundheit der Kinder gefährden. Wenn dies gelingt,  können E-Bikes  der Gamechanger sein, um auch wieder viele Kinder und  Jugendliche zum  Radfahren zu animieren.
Es gibt viele Argumente, die für die Räder  sprechen. Dennoch muss man  aufpassen: Hauptkriterium für die Nutzung  sollten die Fahrkenntnisse  des Kindes sein – und erste Erfahrungen muss  und soll es auf einem  nichtmotorisierten Rad machen. Ich habe mich  persönlich für einen  anderen Weg entschieden: Bei den Fahrten mit den  Kindern bleibt das  E-Bike zu Hause und ich fahre mit einem Rad ohne  Motorunterstützung.  Das macht allen Familienmitgliedern Freude und die  Kinder strotzen vor  Stolz, wenn sie längere Touren und kleine Berge ohne  Motorunterstützung  schaffen.