Vor einer Woche waren es noch Gerüchte. Während seiner morgendlichen Joggingtour auf die mögliche Fusion seines Konzerns mit Nissan angesprochen, gab sich Honda-Chef Toshihiro Mibe noch vieldeutig und erklärte: „Ich bglaube, dass sich die Beziehung zu Nissan vertiefen wird.“
Wenige Tage war das Ausmaß dieser „Vertiefung“ offiziell. Auf einer Pressekonferenz in Tokyo erklärten die beiden Unternehmen, dass Honda und Nissan bis Ende kommenden Monats entscheiden wollen, ob sie in die letzte Phase der Verhandlungen über eine Fusion eintreten wollen. Sollten die Gespräche tatsächlich erfolgreich abgeschlossen werden, wird die neue Holding im August nächsten Jahres an die Börse gebracht werden. Als dritter Partner wäre dann auch Mitsubishi Teil des neuen Konzerns, der mit mehr als acht Millionen verkauften Fahrzeugen hinter Volkswagen und Toyota und vor Stellantis zum weltweit drittgrößten Hersteller aufsteigen würde.
Nissan ist größter Anteilseigner bei Mitsubishi. Auf der Pressekonferenz blickte Honda-Chef Mibe optimistisch in die Zukunft der Fusion, die nicht weniger als „neue Werte in der Mobilitätsindustrie schaffen“ werde. Allerdings knüpfte er die Zukunft der Holding auch an die Bedingung, dass Nissan einen Plan für eine Verringerung seiner Schulden und die Steigerung der Verkäufe vorlegen müsse. Als Umsatz für die neue Fusion planen die drei Unternehmen 30 Milliarden Euro.
Bisher waren die Bemühungen der drei Unternehmen, mit neuen Allianzen die eigenen Schwächen zu überwinden, wenig erfolgreich. General Motors hat die Kooperation mit Honda auf dem Gebiet der Elektroautos beendet und sich mit Hyundai verbündet, und die Allianz von Nissan und Renault ist ebenfalls keine Erfolgsgeschichte. Der französische Konzern hat im November vergangenen Jahres seine Beteiligung an Nissan (28,4 Prozent) in einen Auffangfonds ausgegliedert und davon in drei Tranchen bereits zehn Prozent verkauft – zuletzt fünf Prozent im September. Allerdings sind die beiden Unternehmen noch über eine Überkreuzbeteiligung von jeweils 15 Prozent an den jeweiligen Partner gebunden. Nach einem Bericht der französischen Tageszeitung „Le Figaro“ ist Renault bisher noch nicht über die Verhandlungen in Japan informiert worden.
Die neue Verbindung wird von Marktbeobachtern als eine Fusion von drei schwachen Unternehmen eingeordnet. Nissan und auch Honda leiden wie auch andere Unternehmen vor allem auf den chinesischen und den anderen asiatischen Märkten unter der starken Konkurrenz chinesischer Unternehmen, die auf ihrem Heimatmarkt einen Anteil von 60 Prozent erobert und bei der Elektromobilität inzwischen einen großen Vorsprung aufgebaut haben.
Auch in den USA, noch immer ein wichtiger Markt, leiden die beiden Unternehmen unter schwächelnden Verkäufen. Dort fehlt es vor allem Nissan an Hybridmodellen, die dort aktuell sehr populär sind. „Wir sind dabei, Hybridmodelle auf dem amerikanischen Markt einzuführen, doch nicht so schnell“, erklärt Nissan-Generaldirektor Makoto Uchida. In Europa sieht die Situation nicht viel besser aus. Kritisch meldete sich auch der frühere Chef der Allianz Renault-Nissan, Carlos Ghosn, aus seinem Exil in Beirut zu Wort. Für ihn ist die Fusion wegen der zahlreichen Überschneidungen zwischen den Unternehmen problematisch.
Mit dem Zusammenschluss könnte der neue Konzern vor allem beim gemeinsamen Einkauf von Teilen erhebliche wirtschaftliche Vorteile generieren. Einen ersten Schritt haben die beiden Autohersteller mit der geplanten gemeinsamen Entwicklung von Elektromotoren gewagt, dennoch sind Beobachter skeptisch über die Erfolgsaussichten, denn Nissan und Honda „haben dieselben Probleme, und eine Fusion wird sie nicht lösen“, blickt ein ungenannt bleibender Nissan-Experte beim „Figaro“ in die Zukunft.
Danach hat Nissan im März bereits einen langfristigen Plan zum Schuldenabbau vorgelegt und gleichzeitig verkündet, in den kommenden drei Jahren 30 neue Modelle auf den Markt zu rollen, um damit ausgerechnet Honda Konkurrenz zu machen.
Außerdem gibt es zwischen den beiden Unternehmen eine langjährige Rivalität, die bis in die 1960er Jahre zurückgeht, als Soichiro Honda die internationale Expansion seines Unternehmens gegen den erklärten Willen des japanischen Handelsministeriums durchgesetzt hat, das damals ausschließlich die Aktivitäten von Toyota und Nissan unterstützte.
Im „Figaro“ wird weiter spekuliert, dass der taiwanesische Konzern Foxconn bei der Fusion eine bedeutende Rolle spielen könnte. Danach hat Foxconn geplant, sich einen Anteil an Nissan zu sichern und von dem aktuell niedrigen Aktienkurs (minus 40 Prozent in diesem Jahr) zu profitieren. Das Unternehmen, das bisher vor allem als Hersteller des Apple Iphone und anderer elektronischer Gerätschaften bekannt ist, plant angeblich, in die Produktion von Elektromobilen einzusteigen. (aum)
Foto: Autoren-Union Mobilität/Honda