Von hoher Verunsicherung gekennzeichnet kommt die Erholung der österreichischen Wirtschaft nur schleppend voran. „Der bislang verhaltene, aber stabile Aufwärtstrend der Konjunktur ging zur Jahresmitte zu Ende. Nach einem Anstieg über acht Monate ist der UniCredit Bank Austria Konjunkturindikator im Juni auf minus 2,4 Punkte gefallen“, meint UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer.
Er ergänzt: „Im ersten Halbjahr hat sich die Konjunktur zwar stabilisiert, das Erholungstempo blieb jedoch niedrig. Mit dem aktuellen Rückschlag zeichnet sich derzeit auch kein besserer Start in die zweite Jahreshälfte ab. Die Erholung wird über den Sommer kaum an Schwung gewinnen, zumal sich keine Entschärfung der unterschiedlichen Konjunkturentwicklungen von Dienstleistungssektor und Produktionssektor zeigt.“ Während viele Dienstleistungsbranchen von der steigenden Kaufkraft der heimischen Konsumenten profitieren, wird die Produktion in der Industrie und am Bau angesichts einer schwachen Auftragsentwicklung weiter zurückgefahren.
Stimmungsrückgang in der Industrie trotz stabilem Exportumfeld
Die Verschlechterung des UniCredit Bank Austria Konjunkturindikators wurde im Juni vor allem durch einen Stimmungseinbruch in der Industrie ausgelöst. „Trotz eines stabilen Exportumfelds hat sich die Stimmung in der heimischen Industrie im Juni deutlich verschlechtert. Auch im Dienstleistungssektor nahmen die Geschäftseinschätzung etwas ab, obwohl die Konsumenten mittlerweile so positiv wie zuletzt vor zweieinhalb Jahren in die Zukunft blicken. Die moderate Aufhellung der Stimmung am Bau setzte sich fort“, meint UniCredit Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl.
Während die globale Erholung langsam vorankommt, konnte die österreichische Industrie davon bisher kaum profitieren. Die gestiegenen Energie- und Personalkosten belasten die internationale Wettbewerbsfähigkeit, was sich in einer anhaltenden Auftragsschwäche niederschlägt. Die Sorgen in exportabhängigen Branchen nahmen zur Jahresmitte deutlich zu. Insbesondere in der Kunststofferzeugung und der Herstellung von Kraftfahrzeugen hat sich die Stimmungslage verschlechtert. Dagegen bestanden in Branchen, die stark von der heimischen Nachfrage abhängen, wie die Lebensmittel- und Getränkeindustrie relativ positive Geschäftserwartungen. Optimismus herrschte auch weiterhin im Dienstleistungssektor, wenn auch die Zuversicht im Juni etwas nachgelassen hat. Dahinter standen die verschlechterten Aussichten für industrienahe Servicebereiche, wie zum Beispiel die Bereitstellung von Leiharbeitskräften. Dagegen verschafften die realen Kaufkraftzuwächse in konsumnahen Branchen wie der Beherbergung und der Gastronomie weiteren Rückenwind, zumal die Stimmung unter den Konsumenten im Juni weiter zulegte. Auch in der Bauwirtschaft hat sich die Lage trotz der starken Preisanstiege erneut leicht verbessert, gestützt auf einen moderaten Stimmungsaufschwung im Hochbau und bei den Nebengewerben.
Erholung sollte sich fortsetzen, doch der Weg bleibt steinig
Nach der bescheidenen Konjunkturverbesserung in der ersten Jahreshälfte weisen die nun vorliegenden Stimmungsindikatoren vorerst auf keine spürbare Beschleunigung des Erholungstempos hin. „Getragen vom Konsum wird sich der moderate Konjunkturaufschwung auch in der zweiten Jahreshälfte fortsetzen, ohne sich jedoch maßgeblich zu beschleunigen. Dem steht die anhaltende Investitionszurückhaltung im Wege, zurückzuführen auf die restriktive Geldpolitik sowie die ungünstige Auftragsentwicklung im heimischen exportorientierten Produktionssektor. Wir halten daher weiter an unserer bescheidenen Wachstumsprognose von 0,3 Prozent für 2024 fest“, meint Pudschedl.
Auch für das Jahr 2025 haben die Ökonomen der UniCredit Bank Austria keine Veränderung ihrer Wachstumsprognose vorgenommen. Die wirtschaftlichen Aussichten sollten sich gestützt auf eine leichte Beschleunigung der globalen Erholung und der schrittweisen Lockerung der Geldpolitik verbessern, so dass mit 1,5 Prozent ein im Vergleich zum laufenden Jahr etwas höherer und auf einer breiteren Basis stehender BIP-Anstieg in Österreich möglich wird.
Leichte Verschlechterung am Arbeitsmarkt auch in der zweiten Jahreshälfte
Die schwache Konjunktur löste einen leichten Anstieg der Arbeitslosenquote von saisonbereinigt 6,7 Prozent zum Jahreswechsel auf mittlerweile 6,9 Prozent im Juni aus. Angesichts der nur schleppenden Erholung wird sich der verhaltene Aufwärtstrend in den kommenden Monaten fortsetzen.
„In der zweiten Jahreshälfte dürfte die saisonbereinigte Arbeitslosenquote die Marke von 7 Prozent knacken. Wir haben daher unsere Jahresprognose für 2024 auf 6,9 Prozent erhöht. Für 2025 gehen wir nunmehr von einem Rückgang der Arbeitslosenquote auf 6,7 Prozent 2025 aus. Neben der besseren Konjunktur wird auch das nur langsam steigende Arbeitskräfteangebot die Verringerung ermöglichen“, so Pudschedl.
Inflation schwankt in zweiter Jahreshälfte voraussichtlich um 3 Prozent
Der Rückgang der Inflation hat sich bis zum Juni auf 3 Prozent im Jahresvergleich fortgesetzt. Mithilfe des niedrigsten Werts seit fast drei Jahren ist die durchschnittliche Teuerung in der ersten Jahreshälfte 2024 auf 3,8 Prozent gesunken. In der zweiten Jahreshälfte ist von einer um 3 Prozent schwankenden Inflation auszugehen und somit keine weitere spürbare Verlangsamung der Teuerung. Dies ist zum einen auf das Auslaufen der dämpfenden Effekte des Energiepreisrückgangs zurückzuführen. Zum anderen wird die Dienstleistungsinflation vorerst kaum nachlassen, denn die kräftigen Lohnsteigerungen werden weiterhin für einen hohen Kostendruck sorgen, der aufgrund einer soliden Nachfrage auf die Verbraucherpreise gut überwälzt werden kann. Dem gegenüber steht die Nachfrageschwäche im Produktionssektor, die für eine verhaltene Güterpreisinflation sorgen sollte.
„Für 2024 gehen wir von einer durchschnittlichen Inflation von 3,6 Prozent aus, jedoch hat die Wahrscheinlichkeit zugenommen, dass die Teuerung etwas niedriger ausfallen könnte. 2025 sollte sich die Inflation weiter auf 2,3 Prozent verlangsamen. Während die Kostensteigerungen aufgrund der Lohnerhöhungen die Teuerung insbesondere von Dienstleistungen weiter in Gang halten werden, sollte die Unterauslastung der heimischen Wirtschaft einem allzu starken Aufwärtsdruck über die Güterpreise entgegenwirken“, meint Pudschedl.
Angesichts des weiteren Inflationsrückgangs im ganzen Euroraum wird die EZB die Lockerung der Geldpolitik fortsetzen. „Wir gehen von einer Reduktion der Leitzinsen um jeweils 25 Basispunkte Ende dieses und des nächsten Quartals aus. Ende 2025 sollte der Einlagenzinssatz von derzeit 3,75 Prozent auf 2,25 Prozent gefallen sein“, meint Bruckbauer abschließend.