
Die  Rüstungsindustrie erlebt seit geraumer Zeit eine beispiellose  Neubewertung an den Finanzmärkten. Getrieben von geopolitischen  Spannungen und wachsenden Verteidigungsetats verzeichnet die Branche  deutlich höhere Gewinne und rückt stärker in den Fokus von Anlegern. 
Dabei  ist nicht zu übersehen, dass sich die Wahrnehmung in der Finanzwelt  nachhaltig gewandelt hat. Durch neue geopolitische Realitäten gelten  Verteidigungsunternehmen nicht mehr nur als Anbieter militärischer  Lösungen, sondern zunehmend als sicherheitsrelevante  Technologieunternehmen.
Deutsche Verteidigungswerte: Starke Performance, aber noch Spielraum?
Ein  wichtiger Treiber für den Kursanstieg deutscher Rüstungswerte seit  Anfang des Jahres ist die aktuelle Entscheidung des Bundestags zur  Lockerung der Schuldenbremse. Die Finanzpläne sehen vor, dass Ausgaben  für Verteidigung nur noch bis zu einer Grenze von einem Prozent des  Bruttoinlandsprodukts (rund 44 Millionen Euro im Jahr 2023) unter die  Schuldenbremse fallen. Weitere Ausgaben werden dann über Kredite  finanziert. Dies stellt eine historische Veränderung dar und sorgt für  einen erheblichen Schub bei Rüstungswerten. Doch ist der Markt  inzwischen überhitzt oder ergeben sich noch Einstiegsmöglichkeiten?
Rheinmetall: Deutsches Powerhouse mit starkem Umsatzsprung
Der  Düsseldorfer Rüstungskonzern ist zweifellos der größte Profiteur der  gestiegenen Verteidigungsausgaben in Europa. Der Kurs von Rheinmetall  (WKN 703000) ist seit Anfang 2024 um rund 375% gestiegen. Der Konzern  liefert gepanzerte Fahrzeuge, Munition und eine Vielzahl technologischer  Systeme an NATO-Staaten und erhielt in den vergangenen Monaten  zahlreiche langfristige Großaufträge. 2024 erzielte das Unternehmen  einen Umsatz von rund 10 Mrd. Euro, ein Anstieg um 36 %. 2025 soll der  Umsatz um weitere 30 % steigen. Im Vergleich zu Konkurrenten wie dem  US-amerikanischen Hersteller Lockheed Martin kann Rheinmetall die  Produktion schneller skalieren, weshalb Umsatz und Gewinn in den letzten  Jahren stärker gewachsen sind als bei vielen amerikanischen  Wettbewerbern. Die Rheinmetall-Aktie wird derzeit mit dem rund 54-fachen  des Jahresgewinns (KGV: 54) gehandelt, ein sehr hoher Wert, der  deutlich über dem langfristigen Durchschnitt liegt. Das heißt aber  nicht, dass dem Rheinmetall-Papier bereits die Luft ausgeht: Angesichts  voller Auftragsbücher, geplanter Produktionskapazitätserweiterungen und  einer Expansion in den Bereich Luftverteidigung könnte die Aktie trotz  der jüngsten Rallye weiteres Potenzial haben. Dennoch sollten Anleger  sich der wachsenden Konkurrenz durch andere europäische Anbieter bewusst  sein. Hohe Erwartungen könnten zudem für eine steigende Volatilität  sorgen.
Hensoldt: Spezialist für Sensorik mit Wachstumspotenzial
Das  Rüstungsunternehmen Hensoldt (WKN HAG000) profitiert ebenfalls von  steigenden Verteidigungsausgaben. Der Spezialist für Radarsysteme,  Sensorik und elektronische Kampfführung konnte seit Anfang 2024 seinen  Aktienwert um rund 200% steigern. 2023 verzeichnete Hensoldt einen  Rekord-Auftragsbestand von 2,9 Mrd. Euro und steigerte seinen  Gesamtumsatz um 21 %. Der Erfolgskurs dürfte auch in diesem Jahr  fortsetzen, da das Unternehmen einen Großteil seines Erlöses in  Deutschland erzielt und folglich von den steigenden Bundeswehrausgaben  profitiert. Hier liegt aber auch ein Nachteil: Die Abhängigkeit vom  deutschen Verteidigungsbudget könnte zukünftig das Wachstum hemmen. Ein  Fokus auf die Modernisierung europäischer Streitkräfte könnte das jedoch  ausgleichen. Der weitergeführte Auftrag für die Modernisierung des  Eurofighter ist daher ein positives Signal. Mit einem  Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 47 ist Hensoldt ambitioniert bewertet,  ähnlich wie im Falle des Konkurrenten Rheinmetall könnte das Unternehmen  dank stabiler Auftragslage mittel- bis langfristig noch Luft nach oben  haben.
Europäische Rüstungswerte: Auch außerhalb Deutschlands attraktive Chancen
Deutsche  Aktien standen zuletzt wegen der Reform der Schuldenbremse und höherer  Verteidigungsausgaben besonders im Fokus. Doch auch europäische  Rüstungswerte bieten Chancen.
Thales Group: Innovative Radarsysteme aus Frankreich
Die  Thales Group (WKN 850842) ist ein führendes französisches Unternehmen  mit Schwerpunkt auf Datenanalyse, Radarsysteme und militärische  Kommunikation. Das Unternehmen profitiert auch von einem breiten  Produktportfolio, das Luft- und Raumfahrtsysteme, militärische  Kommunikation, Cybersicherheit und Transporttechnologien abdeckt,  wodurch es seine Einnahmequellen diversifizieren kann. Thales investiert  rund 6 % seines Umsatzes in Forschung und Entwicklung in den Bereichen  künstliche Intelligenz, Big-Data-Analytik und Cybersicherheit.
Die  Aktie des französischen Rüstungsherstellers konnte seit Januar 2024 um  rund 84% zulegen, bleibt damit hinter den Kurssprüngen der deutschen  Wettbewerber zurück. Die Auftragsbücher des französischen Herstellers  sind allerdings auch gut gefüllt: Der Auftragsbestand beläuft sich auf  25,3 Mrd. Euro bei einem Jahresumsatz von 20,6 Mrd. Euro. Thales  investiert stark in KI-gestützte Systeme – diese Nische kommt dem  Unternehmen zugute, da die Konkurrenz dort noch nicht besonders groß  ist. Mit einem KGV von 46 reiht sich das Unternehmen in die derzeit  vergleichsweise hohe Bewertung der europäischen Rüstungsbranche ein.
BAE Systems: Britischer Hersteller mit breitem Produkt-Portfolio
BAE  Systems (WKN 866131) ist das größte rein auf Rüstung spezialisierte  europäische Unternehmen. Seit Januar 2024 legte die Aktie um rund 49%  zu. Der britische Konzern ist breit aufgestellt: von elektronischen  Systemen, Flugsystemen, Marine, über Plattformen und Dienstleistungen  sowie Cyber- und Informationssysteme. Die breite Produktpalette und gute  Geschäftslage spiegeln sich auch im Umsatz wider. Die Verkäufe sind im  Jahr 2024 um rund 14% gestiegen, für dieses Jahr wird ein ähnliches  Wachstum erwartet. Zu den klaren Stärken des Unternehmens zählen die  breite internationale Zusammenarbeit mit Partnern der Rüstungsindustrie  als auch die Expansion in den Bereich Cyber-Security. Da BAE Systems auf  sehr komplexe Systeme wie etwa das Kampfflugzeug Eurofighter Typhoon  setzt, können vergleichsweise schnell logistische und finanzielle  Schwierigkeiten auftreten. Mit einem KGV von 24 ist das Unternehmen  derzeit günstiger bewertet als europäische Pendants.
Leonardo SpA: Italiens Rüstungsriese mit globaler Präsenz
Leonardo  SpA (WKN A0ETQX) ist ein führendes italienisches Unternehmen im Bereich  Luft- und Raumfahrt, Verteidigung und Sicherheit. Seit Januar 2024 hat  die Aktie des Rüstungsspezialisten um rund 213% zugelegt. Im vergangenen  Jahr erzielte Leonardo einen Umsatz von 17,8 Mrd. Euro und verzeichnete  einen Auftragseingang von 20,9 Mrd. Euro. Das Unternehmen profitiert  von einem diversifizierten Produktportfolio, das zivile Hubschrauber,  Kampfflugzeuge, Radar- und Elektroniksysteme sowie  Cybersicherheitslösungen umfasst. Über 40 % des Umsatzes entfallen auf  elektronische Systeme, rund 30 % auf Hubschrauber und 16 % auf  Kampfflugzeuge.
Durch strategische Partnerschaften, etwa mit  Rüstungsunternehmen wie MBDA und Thales, stärkt Leonardo seine  technologische Kompetenz und Marktreichweite. Mit einer jährlichen  Investition von 2,5 Mrd. Euro (14 % des Umsatzes) in Forschung und  Entwicklung liegt der Fokus besonders auf Innovationen in den Bereichen  unbemannte Systeme und Cybersicherheit. Dank dieses breiten Portfolios  und der globalen Präsenz bleibt Leonardo ein bedeutender Akteur in der  Verteidigungsbranche. Mit einem KGV von 23 ist Leonardo derzeit  günstiger bewertet als viele europäische Konkurrenten, trotz starken  Kurssprüngen ist weiteres Aufholpotenzial vorhanden.
Ist der Markt überhitzt?
Die  massive Neubewertung von Rüstungsaktien spiegelt die veränderte  geopolitische Lage wider. Obwohl viele der Werte seit 2024 stark  gestiegen sind und mittlerweile entsprechend teils hohe Bewertungen  aufweisen, bieten sie nach wie vor attraktive Einstiegsmöglichkeiten.  Rheinmetall, Thales, BAE Systems und Leonardo bleiben weiter  aussichtsreich, da sie über solide Auftragsbücher und weiteres  Wachstumspotenzial verfügen. Das gilt tendenziell auch für kleinere  Rüstungshersteller wie Hensoldt. Das Unternehmen ist jedoch  ambitionierter bewertet und könnte bei einer Abkühlung des Marktes  stärker als seine Wettbewerber korrigieren.