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Dienstag, 21. Januar 2025
   
 

Marktreaktionen zeigen extreme Sensibilität der Anleger

... von Enguerrand Artaz, Fondsmanager bei LFDE



Der stärkste Rückgang der 10-jährigen US-Renditen seit dem Stress Anfang August 2024, der stärkste Rückgang der Renditen 10-jähriger Bundesanleihen seit Mitte Juni 2024, ein Kurssprung bei den „Glorreichen Sieben“ um 3,7 %, einer der größten Tagesanstiege der vergangenen zwei Jahre...

Wenn man sich die Marktreaktionen nach der Veröffentlichung der US-Inflationsdaten für Dezember ansieht, könnte man berechtigterweise eine große Überraschung bei den Zahlen erwarten, die das Inflationsnarrativ radikal verändern würde. Doch wenn es überhaupt eine positive Überraschung gab, dann war sie äußerst marginal. Die Gesamtinflation wurde mit 2,9 % angegeben und entsprach damit genau den Konsenserwartungen. Die Kerninflation betrug 3,2 % gegenüber den erwarteten 3,3 %.

Zunehmende Nervosität bei Anleiheninvestoren
Warum also haben die Märkte auf eine so kleine Überraschung so heftig reagiert? Im Wesentlichen liegt es an der extremen Sensibilität der Anleger, insbesondere der Anleiheninvestoren, die sich seit dem Herbst parallel zu einem starken Anstieg der Zinssätze allmählich entwickelt hat. Diese Entwicklung begann mit der Aussicht auf einen Wahlsieg von Donald Trump, und die Umsetzung eines als inflationär empfundenen Programms, wurde durch seinen großen Erfolg bei den Präsidentschaftswahlen und den restriktiven Ton der Federal Reserve (Fed) nach ihrer Sitzung Mitte Dezember verstärkt und gipfelte Anfang Januar in der Veröffentlichung eines sehr soliden Berichts über die Beschäftigung in den USA. In der Zwischenzeit revidierten die Anleger ihre Erwartung, für eine Fed-Senkung der Leitzinsen bis 2025 von sechs auf weniger als zwei. Gleichzeitig stieg die 10-jährige US-Anleihenrendite von 3,6 % Mitte September 2024 auf 4,8 % Mitte Januar 2025. Ein spektakulärer Anstieg, der die Rückkehr der Inflation in den Mittelpunkt rückte.

Ein nüchterner Blick auf die Inflationszahlen zeigt aber, dass es kaum einen Grund für die angespannte Lage gibt. Zwar hat sich das Tempo der Desinflation in ihrer letzten Phase verlangsamt und die Preissteigerungen waren zwischen August und November etwas höher. Die zugrunde liegenden Trends, die sich kaum verändert haben, sind jedoch weiterhin günstig. Die Wohnungsinflation, die den größten Teil der verbleibenden Inflation ausmacht, aber zeitlich sehr verzögert erfasst wird, ist weiterhin rückläufig. Gleiches gilt für das Hauptaugenmerk der Fed in den vergangenen Monaten, die Dienstleistungen außerhalb des Wohnungssektors, deren Preisanstieg sich weiter verlangsamt. Der leichte Anstieg der Inflation in den zurückliegenden Monaten wurde hauptsächlich durch strukturell volatile Komponenten (Flugtickets, Bekleidung) oder durch punktuelle Anstiege, insbesondere der Gebrauchtwagenpreise nach einer langen Phase des Rückgangs, angetrieben. In dieser Hinsicht ändert die Inflation im Dezember, die von den Märkten als äußerst positiv wahrgenommen wird, nichts an diesen Feststellungen. Alles in allem setzt sich die Desinflation in den USA fort, zwar etwas langsamer, aber nicht weniger sicher.

Das Gewicht der Worte
Im Grunde zeigt sich vor allem der Einfluss von Anlegerpsychologie auf die Wahrnehmung der Wirtschaftsdaten und noch mehr der Einfluss von Reden auf die Psyche der Anleger. Das gilt natürlich für die Rede von Donald Trump, in der er die Erhöhung der Zölle, die Massenausweisung von Gastarbeitern oder eine weitere Senkung der Körperschaftsteuer betonte – alles Maßnahmen, die Inflationsdynamik ankurbeln würden. Dies gilt auch für die Rede von US-Notenbankchef Jerome Powell nach der Dezembersitzung der Fed, die das gesunkene Vertrauen einer Zentralbank widerspiegelte, die über die Auswirkungen der Politik des neuen Präsidenten auf die Fortsetzung der Desinflation besorgt ist. So besorgt, dass sie diese in ihre Wirtschaftsprognosen aufnahm, obwohl weiterhin unklar ist, welche Maßnahmen die neue Regierung ergreifen wird.

Nicht zu vergessen ist auch die jüngste Rede von Christopher Waller, Mitglied des Fed-Rates. Der ehemalige Vizepräsident der Fed von St. Louis, der normalerweise zu den „Falken“ gezählt wird, äußerte sich besonders entgegenkommend. Er hielt es für möglich, dass die Fed die Zinsen bis 2025 um bis zu vier Mal senken könnte, wobei er auch eine Zinssenkung im März nicht ausschloss. Damit verstärkte er die Entspannung an den Anleihenmärkten, die durch die positive Überraschung bei der Inflation eingeleitet worden war. Einige Tage zuvor hatte er sich zuversichtlich gezeigt, dass die Desinflation anhalten und die Zollpolitik der Trump-Regierung nur geringe Auswirkungen auf die Inflation haben würde. Angesichts des Einflusses von Christopher Waller innerhalb der Fed ist nicht auszuschließen, dass es sich hierbei um eine Art „Kundendienst“ seitens der Zentralbank handelt, die sich um das erreichte Niveau und den Kurs der langfristigen Zinsen sorgt, um die Märkte wieder zu einer gewissen Rationalität zurückzuführen.

Anleger sollten vor allem eines im Blick behalten: Die Reden einflussreicher Persönlichkeiten – Politiker, Zentralbanker usw. – und die Veränderungen in der Marktpsychologie sorgen für kurzfristige Volatilität, von der man versuchen kann, zu profitieren. Längerfristig jedoch wirkt die wirtschaftliche Realität – in diesem Fall die anhaltende Desinflation – in der Regel wie eine Rückholkraft, die Exzesse korrigiert. Dies kann langfristig orientierten Investoren helfen, angesichts der regelmäßig überschwänglichen Marktreaktionen auf Kurs zu bleiben.

 

Veröffentlicht am: 21.01.2025

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