Die Fed hat die Zinsen gesenkt und der Markt reagiert mit deutlichen Abschlägen. „Das liegt daran, dass die Fed zum ersten Mal ihren fundamentalen Irrtum eingeräumt hat und jetzt nicht mehr davon ausgeht, die Inflation wirklich bereits unter Kontrolle zu haben“, sagt Benjamin Bente, Geschäftsführer der Vates Invest GmbH.
„Statt von immer weiteren Zinssenkungen zu träumen, sollten sich die Märkte vielmehr mit der realen Möglichkeit neuerlicher Zinserhöhungen im kommenden Jahr auseinandersetzen.“
Gerade fand binnen weniger Stunden ein Repricing der vorherigen Fed-Politik statt. „Es war ja bereits beim Start des neuen Zinssenkungszyklus im September klar, dass wir weder den Zinssenkungszyklus als solchen noch die erwartete Höhe und Anzahl der Zinssenkungen nachvollziehen können, weil das Inflationsproblem mitnichten gelöst ist“, so Bente. „Diese Wahrnehmung der Realität hat die Fed gestern übernommen und kommuniziert.“ Mit der entsprechenden negativen Marktreaktion von knapp minus drei Prozent im S&P 500, einem signifikanten Anstieg des VIX-Index und der spürbaren Erhöhung der Anleiherenditen über alle Laufzeiten.
„Das zeigt ganz klar, dass wir hier nicht von einer Pause im Zinssenkungszyklus reden, sondern von seinem nahen Ende“, sagt Bente. „Selbst der bislang so optimistische Markt erwartet nur noch eine weitere Zinssenkung, aber ob die wirklich kommt, muss abgewartet werden.“
Das Kernproblem bleibt die Inflation, bei der die Kernrate zu hoch ist. „Die Fed muss anerkennen – und hat das gestern verbal erstmals getan – dass es am Ende des Tages doch wesentlich länger braucht, bis die Inflation wieder klar im Zielkorridor von unter zwei Prozent ist“, sagt Bente. „Was Fed-Chef Jerome Powell auch hätte sagen können, ist, dass er den Zinssenkungszyklus zu früh angestoßen hat.“ Gleichzeitig sagte Powell, dass ein Anstieg der Leitzinsen 2025 nicht wahrscheinlich sei. „Auch hier versucht er weiter, der Realität nicht ganz ins Auge zu sehen“, so Bente. „Sollte es im nächsten Jahr nicht zu einer Rezession kommen, dann steht angesichts der Saat, die jetzt schon gelegt ist, ein weiterer Inflationsanstieg bevor.“
Der zentrale Grund, warum die Fed die inflationären Kräfte seit Jahren permanent unterschätzt, ist, dass sie bis heute nicht anerkennen will, dass die aktuelle Inflation primär struktureller und nicht temporärer Natur ist. Und das wird durch die vom künftigen US-Präsidenten Trump angekündigten Zölle noch verstärkt. „Wir werden dann von der Fed wieder hören, dass die Inflation überraschend gestiegen ist“, sagt Bente. „Doch überraschend wäre daran nichts.“ Das dürfte die Fed entgegen ihrer eigenen Erwartung 2025 wieder unter Zinserhöhungsdruck setzen, dem sie natürlich durch weitere Realitätsverweigerung widerstehen könnte – was allerdings dann nur den Inflationsdruck und damit wiederum die Zinserhöhungsnotwendigkeiten im darauffolgenden Jahr weiter erhöhen würde. Allein: Das Risiko neuerlicher Zinserhöhungen ist derzeit im Kapitalmarkt überhaupt nicht eingepreist.
„Die Marktreaktion hat gezeigt, dass die Fed zumindest teilweise und der Markt weitgehend in die Realität zurückgekehrt sind“, so Bente. „Die Inflation ist nicht besiegt, der Zinssenkungszyklus war verfrüht, er ist seinem Ende nahe und Inflation wird 2025 wieder ein Thema werden, was zu weiteren Marktkorrekturen führen kann.“ Bereits im Vorfeld der Fed-Entscheidung war die Selektivität an den Märkten sehr hoch. „Zuletzt waren es immer weniger Werte, die überhaupt noch den Markt oben hielten, auch das Sentiment war erneut im optimistischen Bereich“, so Bente. „Insofern wäre eine Fortsetzung der Korrektur an den Märkten nichts, was im aktuellen Umfeld überraschen dürfte.“ Sollte es im kommenden Jahr jedoch nicht zu einer Rezession kommen, dann wäre eine solche Korrektur aber durchaus auch wieder eine Kaufchance insbesondere für US-Aktien. „Diese sollten dann im kommenden Jahr – und das ist die gute Nachricht neben den schlechten Nachrichten von der Zinsfront – von den Maßnahmen der neuen US-Administration hinsichtlich De-Regulierung und Steuersenkungen profitieren können“, sagt Bente.