Obschon die makroökonomischen Vorlauf- und Stimmungsindikatoren seit einiger Zeit oftmals volatil und widersprüchlich ausfallen, erweist sich die globale Konjunktur insgesamt als ziemlich robust.
Das ist auch daran erkennbar, dass sich die Wachstums- und Inflationsprognosen der Analysten für 2025 in den vergangenen Monaten kaum noch verändert haben. Stattdessen hat sich zunehmend die Ansicht verfestigt, dass sich das moderate globale Wachstum fortsetzen wird, während die Inflation in den meisten Ländern wieder auf den Zielwert der Notenbanken zurückkehren wird.
Die großen ökonomischen Verwerfungen, welche die Pandemie und der Ukraine-Krieg verursachten, gehören damit immer mehr der Vergangenheit an. Die erstmals veröffentlichten Prognosen für das Jahr 2026 unterstreichen dies. Das globale Wachstum bleibt mit 2,5% nahezu unverändert, weil dem strukturell tieferen Wachstum in China eine zyklische Erholung in den Industrieländern und den übrigen Schwellenländern gegenübersteht. Diese Erholung wird jedoch relativ verhalten ausfallen, weil Geld- und Fiskalpolitik keine entscheidenden Impulse geben werden. Mit der angespannten geopolitischen Lage, den Handelskonflikten und der hohen Staatsverschuldung gibt es zudem einige bedeutende Unwägbarkeiten und Abwärtsrisiken.
Zunehmende Divergenz zwischen den USA und Europa
Gleichzeitig nimmt die volkswirtschaftliche Divergenz zwischen den USA und Europa stetig zu. In den USA wuchs der Privatkonsum trotz politischer Unsicherheit im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen weiter stark. Er liegt sogar etwas höher, als der Trend vor der Pandemie nahelegen würde. Die Pandemie hat somit keinerlei bleibende Spuren hinterlassen. Ganz anders präsentiert sich die Situation in der Eurozone: Der Privatkonsum liegt fast 6% unter dem Trend vor der Pandemie und ist in den vergangenen beiden Jahren kaum noch gewachsen. Während die US-Privathaushalte noch weniger sparen als vor der Pandemie, ist die Sparquote in der Eurozone zuletzt auf fast 16% angestiegen. Trotz steigender Haushaltseinkommen und tiefer Arbeitslosigkeit bleibt die Stimmung gedrückt. Aber auch auf Firmenebene stehen die USA eher für Dynamik und Innovation, während die Unternehmen in Europa mit immer neuen Regulierungen, zunehmender Bürokratie sowie hohen Steuern und Strompreisen kämpfen. Ein Ende dieser strukturellen Divergenz ist deshalb nicht zu erwarten.
Leitzinsen sinken auf breiter Front
In Kombination mit den gesunkenen Inflationsraten schlagen sich die konjunkturellen Sorgen in Europa auch zunehmend in der Geldpolitik nieder. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Einschätzung innert weniger Wochen geändert und im Oktober den Leitzins erneut gesenkt. In drei der vier größten Volkswirtschaften der Eurozone liegt die Inflation bereits unter 2%. Wir rechnen deshalb bis im Sommer 2025 an allen kommenden Ratssitzungen mit einem weiteren Zinsschritt. Auch der Gouverneur der Bank of England (BoE) hat verlauten lassen, dass die Zinsen künftig etwas schneller sinken könnten, während die Bank of Canada (BoC) den Leitzins im Oktober um 50 Basispunkte gesenkt hat. In den Schwellenländern haben die Zinssenkungen inzwischen auch den asiatischen Kontinent erfasst. Die globalen Leitzinsen sinken damit auf breiter Front. Dies unterstützt mittelfristig das Wachstum und unterstreicht, dass die Notenbanken ihr Ziel der Preisstabilität schon bald erreicht haben.
Staatsanleihenkurse unter Druck
Die im letzten Monat veröffentlichten Wirtschaftsdaten deuteten auf eine robuste US-Konjunktur hin. Konjunkturindikatoren wie der Einkaufsmanagerindex aus dem Dienstleistungsbereich (ISM Services) haben positiv überrascht. Die Finanzmärkte erwarten daher weniger Zinssenkungen der US-Notenbank Fed. Neben der geldpolitischen Komponente haben fiskalpolitische Sorgen die US-Renditen steigen lassen. Eine Konsolidierung des US-Staatshaushalts ist auch unter der neuen Regierung nicht zu erwarten. Im Sog der USA haben die australischen Staatsanleihenrenditen am stärksten angezogen. Im Vergleich zum hochliquiden Treasury-Markt haben die illiquideren AUD-Bonds eine ähnliche Kurseinbuße erfahren. Obschon in Australien die Lockerung der Geldpolitik aufgrund einer tiefen Arbeitslosenrate noch weiter entfernt ist, rechnen wir wieder mit sinkenden Renditen.
Mehr Potenzial in Europa
In Europa fiel der Renditeanstieg schwächer aus. Solange die Wachstumsdynamik verhalten bleibt und die Inflation nahe am Notenbankziel liegt, besteht weiterer Spielraum für Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) und auch der Bank of England (BoE). Vor allem bei Letzterer erwarten wir ein tieferes Niveau am Ende des Zinssenkungszyklus, als dies der Markt antizipiert. Das spricht weiterhin für eine Renditedivergenz zu den Märkten jenseits des Atlantiks mit größeren Chancen für Kursgewinne in Europa. In der Schweiz sehen wir vergleichsweise weniger Ertragspotenzial, da die Renditen in diesem Jahr bereits stark gefallen sind und auf tiefem Niveau notieren.
Aktien: Rückenwind durch aktuelle Gewinnberichtssaison
Die aktuell laufende Gewinnberichtssaison verläuft entsprechend unseren Erwartungen gut und liefert den Aktienmärkten wie in den Quartalen zuvor Rückenwind. Solange im November und Dezember von volkswirtschaftlicher oder geopolitischer Seite keine größeren Schocks kommen, stehen die Zeichen für einen positiven Jahresausklang gut. Nach einem Anstieg des MSCI Welt von fast 20% bis Ende Oktober ist zwar keine Jahresendrally zu erwarten, aber in einem Umfeld aus robuster Konjunktur, rückläufigen Leitzinsen und steigenden Unternehmensgewinnen dürften sich die Märkte insgesamt behaupten. Wenngleich wir vorerst keine Änderung dieses Szenarios erwarten, könnte die Gewinnberichtssaison für das laufende 4. Quartal, die Mitte Januar 2025 beginnt, für Volatilität sorgen. Denn der Gewinnrevisionenindex, der die Zahl der Finanzanalysten mit positiven Anpassungen ihrer Gewinnschätzungen mit derjenigen negativer Änderungen ins Verhältnis setzt, bewegt sich aktuell unter der Nulllinie und ist abwärts gerichtet.
Nächste Berichtssaison verspricht Spannung
Derzeit werden die Gewinnschätzungen also mehrheitlich nach unten geschraubt, und diese Mehrheit nimmt zu. Investoren reagieren indes selten auf die Bewegungen des Revisionenindex. Von Bedeutung ist vielmehr die tatsächliche Entwicklung der Aktienmarktgewinne. Es zeigt sich, dass Revisionen und Gewinnwachstum tatsächlich eine hohe Korrelation aufweisen und erstere sogar einen zeitlichen Vorlauf von etwa zwei Monaten besitzen. Demnach besteht aktuell ein erhöhtes Risiko für vermehrt negative Überraschungen in der nächsten Berichtssaison. In diesem Fall wäre mit einer Konsolidierung am Aktienmarkt zu rechnen. Die Marktgewinne folgen aber nicht immer den volatileren Revisionenindizes; vor allem dann nicht, wenn die Großunternehmen gute Ergebnisse abliefern. Unser Ausblick spricht eher für diese Variante, also eine marktunterstützende Berichtssaison.