In den letzten Jahren haben langlebige Chemikalien (Per- und Polyfluoralkyl), so genannte PFAS, aufgrund ihrer Schädlichkeit zunehmend Besorgnis erregt. 2023 wurden in den USA mehrere PFAS-produzierende Unternehmen verklagt und mit Geldstrafen in Rekordhöhe belegt.[1],[2] Angesichts dieser Risiken verschärfen die Regulierungsbehörden allmählich die Vorschriften für die Verwendung von PFAS. Ziel ist es, sie letztendlich zu verbieten. Ein vollständiges Verbot dieser Chemikalien könnte jedoch die Energiewende gefährden und sollte sorgfältig geprüft werden.
PFAS gehören zur großen Familie der synthetischen chemischen Verbindungen mit einzigartigen Eigenschaften wie Beständigkeit gegen Hitze, Wasser, Öl und viele Lösungsmittel. Sie werden in zahlreichen Industrie- und Konsumgütern verwendet: Lebensmittelverpackungen, Kosmetika, Feuerlöschschäume usw. Allerdings stellen sie eine Gefahr für die Umwelt und die öffentliche Gesundheit dar.[3] Sie werden auch als „ewige Chemikalien“ bezeichnet, weil sie kaum abbaubar sind und sich in lebenden Organismen anreichern können. Es wurde festgestellt, dass eine Belastung durch PFAS gesundheitliche Probleme wie Krebs, einen hohen Cholesterinspiegel und ein geschwächtes Immunsystem verursachen kann.[4]
Vor diesem Hintergrund werden weltweit Vorschriften erlassen, um die Verwendung von PFAS einzuschränken. Frankreich hat zum Beispiel im April 2024 ein Gesetz verabschiedet, das die Herstellung, Einfuhr, Ausfuhr und Vermarktung von PFAS-haltigen Produkten verbietet.[5] Neuseeland hat PFAS in Kosmetika ab 2026 verboten[6], und in den USA trat im April 2024 die erste nationale, rechtlich durchsetzbare Trinkwasser-Norm zum Schutz der Bevölkerung vor der Belastung durch schädliche PFAS in Kraft.[7] Auf Druck mehrerer Länder (Dänemark, Deutschland, Niederlande, Norwegen und Schweden) prüft die EU derzeit die Möglichkeit eines Verbots von über 10.000 PFAS[8]. Sie hofft so die Verwendung von PFAS schrittweise unterbinden zu können. Diese Maßnahme wäre Teil des übergeordneten Europäischen Green Deals[9], mit dem bis 2050 Kohlenstoffneutralität erreicht und gleichzeitig eine kreislauforientierte und nachhaltige Wirtschaft gefördert werden soll.
Ein Verbot von PFAS ist zwar für den Schutz der Umwelt und der öffentlichen Gesundheit unerlässlich, könnte aber unvorhergesehene Folgen für die Wirtschaft und die Unterstützung eines „gerechten Übergangs“ haben. Tatsächlich sind einige Sektoren von PFAS immer noch sehr abhängig. Dies gilt zum Beispiel für den Textil- und Medizinbereich. Zwar gibt es bereits Alternativen, aber die meisten befinden sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium oder sind weniger wirksam als PFAS. So könnte ein vollständiges Verbot beispielsweise den Medizinsektor beeinträchtigen, wo PFAS bei der Herstellung von Implantaten oder Kathetern verwendet werden. Zudem werden einige PFAS in Batterien für Elektrofahrzeuge, in Solarpanel-Membranen und in Windturbinen verwendet. Diese Technologien erfordern Chemikalien, die extremen Bedingungen standhalten können. Ohne PFAS könnte es schwierig werden, das Leistungsniveau aufrechtzuerhalten, das für die Weiterentwicklung dieser Technologien erforderlich ist, damit sie einen wirksamen Beitrag zur Verringerung der Kohlenstoffemissionen leisten können, wie es die EU bis 2050 anstrebt.[10]
Angesichts der doppelten Herausforderung durch PFAS sind differenziertere Beschränkungen und Vorschriften erforderlich. So prüft die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) beispielsweise die Möglichkeit, Ausnahmen für kritische Sektoren wie medizinische oder elektronische Komponenten zu machen. Für diese Sektoren wird vorgeschlagen, die Anwendung der Verordnung um 5 oder 12 Jahre zu verschieben[11], um ihnen mehr Zeit zu geben, praktikable Alternativen zu finden.
Bis zur endgültigen Entscheidung der ECHA bleibt es dennoch wichtig, den Übergang zu einer PFAS-freien Welt zu antizipieren. Investoren können dabei eine wichtige Rolle spielen, indem sie mit den Unternehmen einen Dialog über die damit verbundenen Risiken und alternative Möglichkeiten führen. Ziel ist eine größere Transparenz seitens der Unternehmen und eine Bereitschaft zur Entwicklung nachhaltiger Alternativen zu erreichen, während PFAS schrittweise aus dem Verkehr gezogen werden. Diejenigen Unternehmen, die sich schnell an die neuen gesetzlichen Auflagen anpassen können, reduzieren nicht nur die rechtlichen und finanziellen Risiken, sondern stärken auch ihre Marktposition. Sie werden in der Lage sein, die steigenden Nachhaltigkeitsanforderungen der Verbraucher zu erfüllen und sich in einem zunehmend wettbewerbsintensiven Umfeld – in dem Umweltaspekte bei der Entscheidungsfindung eine immer größere Rolle spielen – zu behaupten.
Die mit PFAS verbundenen Gefahren erfordern rasches Handeln. Voreilige Entscheidungen könnten jedoch schwerwiegendere Folgen haben als erwartet, da es derzeit nur sehr wenige praktikable Alternativen gibt, insbesondere im Zusammenhang mit der Energiewende. Angesichts dieses Risikos müssen Unternehmen, die diese „ewigen Chemikalien“ herstellen oder auf sie angewiesen sind, ihre Verfahren erneuern und anpassen, was hohe Anfangskosten und kurzfristige Beeinträchtigungen verursachen könnte. Es gilt also, ein Gleichgewicht zwischen dem Schutz der öffentlichen Gesundheit und der notwendigen Unterstützung nachhaltiger Innovationen zu finden. Die politischen Entscheidungsträger müssen einen konstruktiven Dialog mit der Industrie und den Stakeholdern führen, um praktikable Alternativen zu ermöglichen und den Weg für eine erfolgreiche Umwelt- und Energiewende zu ebnen.
Crédit Mutuel Asset Management ist eine Asset-Management-Gesellschaft der La Française Gruppe, der Holdinggesellschaft des Asset-Management-Geschäftsbereichs der Credit Mutuel Alliance Fédérale.
[1] Neue PFAS-Klage beruft sich auf die EPA-Trinkwasservorschriften für „immerwährende Chemikalien“ | Reuters
[2] Gericht genehmigt 3M-Milliarden-Dollar-Vergleich über PFAS in öffentlichen Trinkwassersystemen - CBS Minnesota (cbsnews.com)
[3] Was sind PFAS und wie gefährlich sind sie für meine Gesundheit? - Europäische Umweltagentur (europa.eu)
[4] Unser derzeitiges Wissen über die Gesundheits- und Umweltrisiken von PFAS | US EPA
[5] Die Abgeordneten stimmen für ein erstes Verbot von „ewigen Schadstoffen“, sparen aber Küchenutensilien aus (lemonde.fr)
[6] https://www.epa.govt.nz/news-and-alerts/latest-news/epa-bans-forever-chemicals-in-cosmetic-products/
[7] Wichtige EPA-Maßnahmen zur Bekämpfung von PFAS | US EPA
[8] All news - ECHA (europa.eu)
[9] Aktionsplan zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung - Europäische Kommission (europa.eu)
[10] The European Green Deal (europa.eu)
[11] 57812f19-8c98-e67-b70f-6e8a51fe77e5 (europa.eu)