Zinsentwicklung, Rezessionsgefahr, Nahostkonflikt – diese Unsicherheiten und Interdependenzen lassen Anleger auf den Aktien-, Anleihen- und Rohstoffmärkte im herbstlichen Nebel stochern.
Laut Thomas Böckelmann, leitender Portfoliomanager der Vermögensmanagement Euroswitch, sind viele Probleme allerdings hausgemacht: „Für eine Lösung stehen sich die Politiker nur selbst im Weg. Ob erneuter potenzieller Shutdown in den USA oder eine politisch induzierte Vollbremsung in Europa – ein Weg zu mehr Pragmatismus würde signifikante Potenziale heben.“
Zinsen böten nach Meinung des Fondsmanagers für kurze Laufzeiten interessante Alternativen, lange Laufzeiten sogar Opportunitäten, falls es wieder zu Zinssenkungen käme. Aktien seien schwieriger zu beurteilen, da die Indizes durch wenige Titel verzerrt würden und auch das Anlegerverhalten irritiere. Rund 10 Prozent haben die Aktienmärkte in den letzten Wochen von ihren Höchstständen durchschnittlich verloren – eine sogenannte technische Korrektur. Doch Böckelmann weiß: „Hinter der durchschnittlichen Zahl verbirgt sich jedoch eine extreme Achterbahnfahrt bei einigen Aktientiteln, wenn deren Berichterstattung die Erwartung der Marktteilnehmer verfehlte. Positive Überraschungen wurden im normalen Rahmen honoriert, negative hingegen brutal abgestraft.“ So verloren Börsenlieblinge wie Tesla ein Fünftel an Wert, europäische Maschinenbauer wie Alstom oder Siemens Energy um die 40 Prozent. Neben den Unternehmensberichten reagierten die Marktteilnehmer sehr sensibel auf abgesenkte Kursziele von Analysten. Der Experte dazu: „Dabei dürfte dies eigentlich niemanden verwundern – allein die gestiegenen Zinsen senken über die Diskontierung das potenzielle Kursziel einer Aktie, daneben wirken konjunkturelle Effekte, die sich tendenziell eintrüben. Alles in allem deuten die teils starken Kursverluste auf eine gewisse Naivität, mit der einige Marktteilnehmer die Veröffentlichungen betrachten.“
Daten und Fakten im Nebel erkennen
Die aktuell veröffentlichten Einkaufsmanagerindizes in den USA deuten nach überraschend starkem Wirtschaftswachstum auf die zunehmende Gefahr einer Kontraktion. Gleichzeitig ist die Inflation unter 4 Prozent gesunken. Europa verzeichnet bei der Inflation mit 2,9 Prozent sogar erstmals wieder einen Wert mit einer 2 vor dem Komma, gleichzeitig befindet sich die Wirtschaft in einer Stagnation mit rezessiver Tendenz. „In den USA dürfte mittelfristig der wachstumsstärkende Effekt einer ausufernden Staatsverschuldung abklingen, die bislang der strengen Geldpolitik entgegenläuft“, schätzt Böckelmann. Seit der globalen Finanzkrise sind die US-Staatsschulden um 250 Prozent gestiegen und mit gestiegenen Zinsen dürften auch die zukünftigen Zinslasten im Staatshaushalt in einem Ausmaß steigen, dass die Flexibilität zukünftiger Regierungen gefährdet sei. „Als mögliche Reaktionen bleiben nur schwere Einschnitte bei den Ausgaben, starke Steuererhöhungen oder eine Schuldenreform“, prognostiziert der Fondsmanager. Und weiter: „Derartige Szenarien spielen an den Märkten bislang keine große Rolle – dennoch wird es zunehmend schwieriger, Käufer für neue Staatsanleihen zu finden, da sich die Notenbank als bislang größter Gläubiger dank ihrer strengen Geldpolitik zurückgezogen hat.“
In Europa sind die Staatsschulden seit 2008 um durchschnittlich 50 Prozent gestiegen, auch hier sieht Böckelmann, dass sich Herausforderungen bei der Anschlussfinanzierung und vor allem höhere Zinslasten abzeichnen, sollten in den Staatshaushalten unverändert Ausgabenerhöhungen geplant sein.
Zinssenkungen: eine komplizierte Gemengelage
Indikatoren zum Wirtschaftswachstum signalisieren eine Abschwächung, die in Verbindung mit sinkender Inflation einen Nährboden für potenzielle Zinssenkungen bildet. „Entscheidend ist die Frage, inwieweit sich die Notenbanken von den ersten schlechten Nachrichten aus der Wirtschaft beeindrucken lassen oder die Angst schwerer wiegt, wie in den 70er Jahren zu früh die Zinsen zu senken, um dann von einer erneuten stärkeren Inflationswelle überrollt zu werden. Nachdenklich stimmt, dass bei einer weiteren Eskalation des Nahostkonfliktes viele Zutaten bereitstehen wie in den 70er Jahren, als eine Stagflation vorherrschte. Rein zahlenbasiert spricht vieles für eine entspanntere Geldpolitik in den kommenden zwölf Monaten, was die Märkte unterstützen sollte“, fasst der Experte abschließend zusammen.