Die Isolation während des Lockdowns in der Corona-Krise war für viele Pflegebedürftige eine extreme psychische Belastung: Besuche von Angehörigen wurden untersagt, Programme zum gemeinsamen Singen, Basteln oder Bewegen konnten nicht mehr stattfinden.
Es wurde deutlich, wie wichtig soziale Kontakte sind. Welche Rolle sie allgemein bei Pflegebedürftigen und speziell bei Demenzerkrankten spielen und wie Betroffene von einer aktiven Freizeitgestaltung profitieren, erklärt Birger Mählmann, Pflegeexperte der IDEAL Versicherung.
Welchen Effekt haben soziale Kontakte auf die Gesundheit?
Einsamkeit kann krank machen. Viele Studien belegen, dass das Gefühl von sozialer Isolation der größte Risikofaktor für ein langes Leben ist – sogar noch vor Übergewicht und Alkoholismus. Der Grund: Betroffene schütten vermehrt das Stresshormon Cortisol aus. Stressbedingte Erkrankungen wie Bluthochdruck oder eine allgemeine Schwächung des Immunsystems, aber auch Depressionen und kognitive Beeinträchtigungen sind mögliche Folgen. Damit steigt beispielsweise das Risiko für einen Herzinfarkt um 29 Prozent, die Wahrscheinlichkeit eines Schlaganfalls um 32 Prozent. Soziale Kontakte bieten einen Schutz vor dem Gefühl der Einsamkeit.
Welche gemeinsamen Aktivitäten eignen sich für Pflegebedürftige?
Soziale Kontakte aktivieren die Nervenzellen im Gehirn. Fehlt dieser Anreiz, steigt das Risiko für Demenz, eine bereits vorhandene Erkrankung schreitet schneller fort. Daher ist es wichtig, dass sich Pflegebedürftige an Unternehmungen aktiv beteiligen können. Hierbei gilt es jedoch unbedingt zu vermeiden, dass sich Betroffene ausgeschlossen oder überfordert fühlen, denn dies führt zu Frustration und sozialer Isolation. Ob ein Spaziergang in der Gruppe an der frischen Luft, ein Treffen im Café oder im Seniorenzentrum, gemeinsames Basteln, Singen oder Kuchenbacken: Aktive Freizeitgestaltung hilft dabei, die Selbstständigkeit zu erhalten. Welche Aktivitäten noch möglich sind, hängt vom Grad der Pflegebedürftigkeit ab. Grundsätzlich gilt: Pflegebedürftige sollten all das tun, wozu sie noch selbst in der Lage sind – denn damit bleiben sie länger aktiv.
Wie sollten Angehörige speziell mit Demenzerkrankten kommunizieren?
Respekt, Geduld und Empathie sind im Umgang mit Demenzkranken äußerst wichtig – selbst dann, wenn der Betroffene aggressiv reagiert. Angehörige sollten Pflegebedürftige mit Demenz nicht wie ein Kind behandeln oder sie bei Entscheidungen übergehen. Einfache Fragen und Sätze, die für sich genommen verständlich sind, können die Kommunikation erleichtern. Manchmal ist es notwendig, wichtige Informationen mehrmals zu wiederholen – dabei auf gleiche Formulierungen achten. Ironie, Sarkasmus oder übertragene Bedeutungen sollten Angehörige besser nicht benutzen, da sie Demenzkranke überfordern. Mimik und Gestik können das Gesagte unterstreichen. Wichtig ist es, immer Blickkontakt zu halten, er stellt eine Verbindung zum Kranken her. Berührungen vermitteln das Gefühl von Geborgenheit. Denn vor allem dann, wenn eine Verständigung über Worte allein nicht mehr möglich ist, schaffen Umarmungen, Massagen oder auch ein Streicheln der Hand Nähe.
Sind Tiere und Roboter in der Lage, soziale Kontakte zu ersetzen?
Viele ältere Menschen hängen an ihrem Hund oder ihrer Katze. Manchmal dürfen sie ihr Haustier sogar mit ins Pflegeheim nehmen. Einige Einrichtungen bieten auch Tiertherapie an. Bei Menschen aller Altersgruppen können Tiere Einsamkeit und Stress reduzieren und emotionale Unterstützung geben. Wer einen Hund streichelt, kann damit beispielsweise seine Puls- und Blutdruckwerte senken. Wissenschaftler haben in mehreren Studien nachgewiesen, dass auch Pflegebedürftige vom Umgang mit Tieren profitieren. Ein weiterer Vorteil von Tieren ist, dass sie Menschen miteinander in Kontakt bringen. In Pflegeheimen kommen in einigen Fällen sogar Tierroboter zum Einsatz. Bei Demenzkranken lösen diese Ersatzhaustiere meist positive Reaktionen aus. Aber ein vollwertiger Ersatz für ein lebendiges Wesen ist ein Roboter natürlich nicht.
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