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Dienstag, 3. Dezember 2024
   
 

Bayer prüft angeblich Strategie gegen Roundup-Klagewelle mittels Insolvenz-Trick

Die Gerüchteküche brodelt



Bayer, früher eines von Deutschlands Vorzeigeunternehmen in puncto Erfolg und Seriosität, hat sich mit der Übernahme des US-Pflanzenschutzmittel- und Saatgutherstellers Monsanto im Jahr 2018 für rund 63 Milliarden US-Dollar ein teures Problem eingekauft.

Sein Name: Roundup, eine Serie von sogenannten Breitbandherbiziden mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat. Das Pestizid, das jede Pflanze abtötet, die nicht entsprechend gentechnisch verändert ist, wurde 2015 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „wahrscheinlich krebserregend“ beim Menschen eingestuft und hat sich seitdem zu einem „existenziellen Thema“ für das Unternehmen Bayer entwickelt, wie Konzern-Chef Bill Anderson kürzlich in Chicago einräumte. Nun soll Bayer Gerüchten in Anwaltskreisen zufolge versuchen können, sich mit einem umstrittenen Insolvenz-Trick der lästigen und den Unternehmenswert belastenden Klagen zu entledigen.

Die in den USA anhängigen Glyphosat-Klagen kosteten den Chemiekonzern mehr als die rund 2,4 Milliarden Euro pro Jahr, die er für Forschung und Entwicklung ausgebe, zitiert das Handelsblatt den Bayer-CEO. Infolge der Glyphosat-Klagen könne das Unternehmen nicht mehr so viel in die Entwicklung investieren wie nötig, kritisiert Anderson. Damit sei auch der Fortschritt gefährdet, der nötig sei, um eine wachsende Weltbevölkerung bis Mitte des Jahrhunderts zu ernähren, wenn weniger Land und Wasser für die Landwirtschaft zur Verfügung stünden.

Mehr als 100.000 Klagen

Inzwischen hat die Klagewelle in den USA wegen Roundup bzw. Glyphosat, immerhin sind dort hierzu dem Vernehmen nach bislang mehr als 100.000 Klagen zusammengekommen, sich auch massiv auf den Kurs der Bayer-Aktie ausgewirkt: Notierte das Papier vor der Monsanto-Übernahme noch bei mehr als 90 Euro, ließ zuletzt selbst das für den Konzern positive Urteil eines Bundesberufungsgerichts in Philadelphia im US-Bundestaat Pennsylvania die Bayer-Aktie lediglich auf rund 29 Euro steigen. Dabei bedeutete dies sogar ein Plus von mehr als 10 Prozent.

Im Jahr 2020 konnte Bayer Berichten zufolge immerhin einen Vergleich in Höhe von bis zu 9,6 Milliarden Dollar für die meisten der bis dato anhängigen Roundup-Fälle erzielen. Eine Einigung im Hinblick auf zukünftige Fälle gab es hingegen nicht. Und dem Vernehmen nach sollen immer noch mehr als 50.000 Klagen, die Rede ist derzeit von rund 57.000, wegen des krebsverdächtigen Unkrautvernichters Roundup anhängig sein. Im Juni konnte der Konzern zwar einen Erfolg für sich reklamieren, weil eine US-Richterin in einem Glyphosat-Prozess gegen Bayer den Schadenersatzanspruch von 2,25 Milliarden auf 400 Millionen Dollar reduzierte. Doch Bayer kann sich nicht darauf verlassen, dass solche Verfahren künftig tendenziell zugunsten des Konzerns ausgehen, warnen Insider. Denn bislang urteilten die US-Berufungsgerichte vielfach unterschiedlich. So stellte Bayer für die Beilegung von Roundup-Klagen mehr als 16 Milliarden Dollar zurück. Davon sollen bereits rund 10 Milliarden ausgegeben sein, wie das Handelsblatt berichtet.

Texas Two-Step

Nun soll der Konzern ein umstrittenes Verfahren namens „Texas Two-Step“ (TTS – texanischer Wechselschritt) prüfen, um sich der lästigen Klagen zu entledigen, wird nicht nur in US-Anwaltskreisen spekuliert. Denn Konzernchef Anderson will dieses „drängendste“ Problem schnellstmöglich loswerden. Als Mittel zum Zweck eines Befreiungsschlages soll demnach ein juristischer Trick dienen, ebenjener texanische Wechselschritt, um einen Vergleich für die noch anhängigen rund 57.000 Fälle herbeizuführen.

Konkret basiert diese Strategie auf einer Eigenheit des texanischen Firmenrechts, die es Unternehmen erlaubt, Aktiva und Passiva in getrennte Sparten aufzuteilen, wie das Fachmagazin Institutional Money erläutert. Danach wird die Sparte mit den Verbindlichkeiten als überschuldet in die Insolvenz geschickt. Im Erfolgsfall ließen sich so Vergleichsverhandlungen mit Klägern erzwingen, die sich einer Beilegung zuvor verweigert hätten, verdeutlichen die Finanzexperten. Allerdings gilt dieser Winkelzug nicht als ausgesprochen zuverlässig, wie schon andere US-Konzerne, wie etwa der Pharmakonzern Johnson & Johnson, feststellen musste.

Doch Bayer scheine entschlossen, nichts unversucht zu lassen, kommentieren Beobachter. Schließlich lässt der Konzern ja nicht ab davon, das Roundup-Produkt mit Bezug auf entsprechende wissenschaftliche Studien als sicher zu proklamieren. Bei einer TTS-Strategie könnte Monsanto demnach jedoch zur „Bad Bank“ werden, einer Art Müllkippe sozusagen. Ob Texas Two-Step allerdings den Durchbruch bringt, bezweifeln Fachleute. Für Bayer sei vor allem problematisch, dass Versuche, die zahllosen, über verschiedene Bundesstaaten verteilten Einzelfälle zu einem Verfahren zusammenzufassen, gescheitert seien, urteilt Institutional Money.

Zudem rühren US-Anwaltskanzleien wieder heftig die Werbetrommel, um weitere potenzielle Glyphosat-Opfer zu einer Klage gegen Bayer zu bewegen. Laut Recherchen des Mediendienstes „The Pioneer“ sollen Anwälte zuletzt neun Millionen US-Dollar für TV-Spots ausgegeben haben. Deren Inhalt: die Aussicht auf Entschädigungszahlungen. Dabei hätten die Kanzleien nur ein geringes Interesse daran, die Fälle vor Gericht zu bringen, zitierte The Pioneer Branchenkenner. Vielmehr seien die Anwälte auf hohe Vergleichssummen aus, „das sei das Geschäftsmodell”.

Die einzelnen Glyphosat-Geschädigten dürfte dies wenig stören. Schließlich legen die Kanzleien die Kosten der juristischen Auseinandersetzungen für die jeweiligen Roundup-Opfer aus. Die Rechtsanwälte selbst arbeiten auf Erfolgsbasis, sie bekommen in der Regel ein Viertel bis ein Drittel des Erlöses.

Quelle: GOSLAR INSTITUT

 

Veröffentlicht am: 07.09.2024

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