
Das Investitionserleichterungsgesetz ermöglicht über die neue Sonderabschreibung nach §7bEStG, kombiniert mit der degressiven Gebäude-AfA, dass bis zu 50 Prozent der Herstellungskosten innerhalb von zehn Jahren steuerlich abgeschrieben werden können. Diese Entlastung schafft in einer frühen Projektphase genau den finanziellen Spielraum, der in der aktuellen Marktlage entscheidet. Dennoch führt die Regelung bislang ein Schattendasein.
Milliarden an potenziellen Steuerrückflüssen
Der Grund ist weniger inhaltlicher als kommunikativer Natur: Die Politik hat das Instrument kaum vermittelt, viele Medien haben es nicht aufgegriffen, und selbst zahlreiche Steuerberater erwähnen es ihren Mandanten gegenüber nicht. So bleibt einer der derzeit stärksten Hebel für den Wohnungsbau ungenutzt – und mit ihm Milliarden an potenziellen Steuerrückflüssen. Die Kombination aus Sonderabschreibung und degressiver AfA macht Neubau deutlich kalkulierbarer und verbessert die Liquidität, die Eigenkapitalrendite und den Kapitaldienst in den entscheidenden ersten Jahren. In der Praxis stehen typischen Mehrkosten der QNG-Bauweise von etwa 300 Euro pro Quadratmeter potenzielle steuerliche Rückflüsse von bis zu 900 Euro pro Quadratmeter gegenüber. Wer die Mechanik versteht, erkennt sofort das Potenzial – doch Marktteilnehmer lassen es verstreichen.
Markt ignoriert das Instrument für Bau-Boom
Historisch ist dieser Effekt gut dokumentiert. Eine nahezu identische steuerliche Logik löste Anfang der 1990er Jahre in Ostdeutschland einen Bau-Boom aus. Die damalige Förderung über das Fördergebietsgesetz war ein zentraler Treiber der Bautätigkeit. Studien des IWH, des DIW und mehrere wissenschaftliche Arbeiten zeigen, dass die hohen Anfangsabschreibungen das entscheidende Investitionssignal gesetzt haben. In der Spitze wurden mehr als 200.000 Wohnungen pro Jahr genehmigt. Die heutige Abschreibungsregelung greift denselben Mechanismus auf – nur nutzt ihn kaum jemand. Der Markt verhält sich, als existiere das Instrument nicht.
Es braucht Kommunikation und Beratung
Die Folge ist paradox: Während Wohnungen fehlen, bleiben steuerliche Entlastungen im zweistelligen Milliardenbereich ungenutzt liegen. Investoren, die Projekte als „unwirtschaftlich“ einstufen, übersehen ein Werkzeug, das die Wirtschaftlichkeit tatsächlich verändert. Das Problem liegt nicht im Gesetz, sondern in seiner Unsichtbarkeit. Ohne politische Kommunikation, ohne mediale Reichweite und ohne Beratung in der Breite entfaltet ein funktionierendes Instrument keine Wirkung.
QNG-konforme Gebäude reduzieren CO2-Ausstoß über Jahrzehnte
Dabei zeigt ein Blick in die Praxis, was möglich ist: Projekte, die den KfW-40-QNG-Standard erreichen, können durch die neuen Abschreibungsregeln erheblich schneller refinanziert werden. Genau dieser Mechanismus motiviert private Entwickler, die bisher angesichts hoher Zinsen und Baukosten zögerten. Wer heute baut, gestaltet nicht nur für sich selbst bessere Renditechancen, sondern leistet zugleich einen strukturellen Beitrag zur Wohnraumversorgung und zum Erreichen der Klimaziele. Denn QNG-konforme Gebäude reduzieren Energieverbrauch und CO2-Ausstoß messbar über Jahrzehnte.
Der Staat hat geliefert. Jetzt ist das Kapital dran
Das Potenzial ist also da, doch die Nutzung bleibt aus. Investoren blockieren sich selbst – und damit auch ein Instrument, das gerade in der aktuellen Marktlage dringend gebraucht wird. Der Staat hat geliefert. Jetzt ist das Kapital dran. Wer die aktuelle Gesetzeslage nutzt, senkt Risiken, verbessert die Wirtschaftlichkeit und schafft dringend benötigten Wohnraum. Wer sie ignoriert, verzichtet auf Vorteile, die in dieser Form womöglich nicht dauerhaft bestehen bleiben.
Oliver Fürstner ist Hamburger Unternehmer und erfahrener Immobilieninvestor, der aktuell mit seinem Projekt Gut Klußer Mühle bei Wismar eines der ersten großen Quartiere nach dem neuen QNG-Standard realisiert. Als jemand, der nachhaltiges Bauen nicht nur theoretisch betrachtet, sondern praktisch umsetzt, kennt er die Herausforderungen und Chancen, die mit den Förderprogrammen verbunden sind. Vor diesem Hintergrund warnt Fürstner: Deutschlands wichtigste Wohnungsbauförderung wird von zu vielen Investoren übersehen – eine verpasste Chance in Zeiten massiven Wohnraummangels.
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