Im Zuge des seit dreieinhalb Jahren andauernden Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine hat Moskau zunehmend auf Kriegswirtschaft umgestellt. Die hohen Militärausgaben haben in den ersten Kriegsjahren die Konjunktur signifikant angekurbelt. Seit Mitte 2023 zeigt die russische Wirtschaft jedoch deutliche Anzeichen einer Überhitzung.
Mittlerweile bremsen der Arbeitskräftemangel, die hohen Zinsen, die westlichen Sanktionen und der vergleichsweise niedrige Ölpreis das Wachstum deutlich. Strengere Sanktionen würden den wirtschaftlichen Druck auf Russland erhöhen und die Wahrscheinlichkeit für ein Einlenken Putins steigern. Gleichzeitig muss die Ukraine weiterhin unterstützt werden, denn auch dort belastet der Krieg die Wirtschaft und den Staatshaushalt enorm
Im Zuge des seit dreieinhalb Jahren andauernden Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine hat Moskau zunehmend auf Kriegswirtschaft umgestellt. Die Militärausgaben, gemessen an der Wirtschaftskraft, sind in Russland von 3,6 Prozent im Jahr vor Beginn der Invasion auf etwa sieben Prozent im Jahr 2024 gestiegen. In diesem Jahr wird davon ausgegangen, dass die Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit etwa 40 Prozent der gesamten russischen Staatsausgaben ausmachen werden. Dieser enorme fiskalische Impuls hat die Wirtschaft in den ersten Kriegsjahren signifikant angekurbelt. So wuchs das russische Bruttoinlandsprodukt 2023 um 4,1 Prozent und 2024 um 4,4 Prozent. Bereits seit Mitte 2023 zeigt die russische Wirtschaft jedoch deutliche Anzeichen einer Überhitzung. Die hohe Nachfrage, insbesondere nach militärischen Gütern, traf auf ein geringes Arbeitsangebot. Denn viele Männer wurden für den militärischen Dienst eingezogen oder entgingen dem Dienst an der Waffe, indem sie emigrierten und somit dem russischen Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung standen. Während die Arbeitslosenquote im Jahr 2020 noch bei 5,6 Prozent lag, ist sie zuletzt auf den historischen Tiefstand von 2,2 Prozent gefallen – ein für ein Schwellenland extrem niedriger Wert.
Somit traf eine durch den Fiskalimpuls angefachte Nachfrage auf einen engen Arbeitsmarkt. Die Folge waren steigende Löhne und Preise. Die Inflationsrate stieg ab Mitte 2023 kontinuierlich an und erreichte zu Beginn dieses Jahres den zweistelligen Bereich. Damit lag sie deutlich über dem Vier-Prozent-Ziel der russischen Notenbank. Diese reagierte und begann im Sommer 2023 damit, den Leitzins schrittweise bis zum Herbst 2023 auf 21 Prozent anzuheben – der höchste Wert seit Beginn der 2000er Jahre. Mittlerweile hat die Inflation etwas nachgegeben (8,1 Prozent im August), sodass die Notenbank den Leitzins auf 17 Prozent gesenkt hat. Dieses weiterhin restriktive Niveau ist zwar notwendig, um die Inflation im Griff zu behalten, belastet die russische Wirtschaft aber zunehmend. Die hohen Zinsen halten Unternehmen von Investitionen ab und die russische Bevölkerung legt ihr Geld lieber auf die Bank, anstatt es auszugeben. Neben den hohen Zinsen und dem Arbeitskräftemangel leidet die russische Wirtschaft zudem unter den westlichen Sanktionen, einer unterdurchschnittlichen Ernte in diesem Jahr sowie den relativ geringen globalen Ölpreisen.
Die Folge ist ein sehr geringes Gewinnwachstum der russischen Unternehmen, während sich das Reallohnwachstum der arbeitenden Bevölkerung abschwächt. Während das BIP-Wachstum 2024 noch bei 4,4 Prozent lag, ist die Wirtschaftskraft im ersten Halbjahr 2025 im Vergleich zum Vorjahr nur um 1,2 Prozent gewachsen. Für das Gesamtjahr 2025 rechnen wir mit einem Wachstum von nur noch etwa einem Prozent. Neben den akuten Problemen werden sich mittelfristig dann auch noch zunehmend die strukturellen Probleme bemerkbar machen, insbesondere der demografische Wandel. Dass es immer weniger junge Personen gibt, die in den Arbeitsmarkt eintreten, war bereits vor Kriegsbeginn ein Problem. Die enorme Zahl der Gefallenen wird dieses Problem in Zukunft noch verschärfen.
Russische Haushaltslage verschlechtert sich
Die geringeren Einnahmen aufgrund einer sich abkühlenden Wirtschaft und des niedrigen Ölpreises bei gleichzeitig enormen Ausgaben, um die Kriegsmaschinerie am Laufen zu halten, verschlechtern die Haushaltslage Russlands. So sank der liquide Teil des russischen Staatsfonds im Mai auf etwa 30 Milliarden Euro und lag damit rund 70 Prozent unter dem Stand vor Kriegsbeginn. Das russische Finanzministerium rechnet für dieses Jahr mit einem Haushaltsdefizit von 2,6 Prozent. Um die Einnahmenseite zu stärken, hat es eine Anhebung der Mehrwertsteuer von 20 auf 22 Prozent angekündigt. Zudem werden jetzt kleine und mittlere Unternehmen bereits ab Einnahmen in Höhe von 10 Millionen Rubel (rund 100.000 Euro) voll mehrwertsteuerpflichtig. Zuvor lag die Grenze sechs Mal so hoch. Höhere Steuern werden die Inflation erneut anfeuern und das Wirtschaftswachstum zusätzlich belasten.
Die russische Staatsverschuldung liegt mit 20 Prozent des BIP zwar aktuell auf einem niedrigen Niveau, könnte aber angesichts der aktuellen Entwicklungen in den kommenden Jahren rasant steigen. Schon jetzt wird innerhalb der nächsten fünf Jahre mit einem Anstieg auf 30 Prozent gerechnet. Aufgrund der westlichen Sanktionen ist es zudem schwierig Schulden aufzunehmen, da es kaum noch internationale Käufer für russische Schuldtitel gibt. Ein Großteil der Staatsanleihen wird daher von russischen Banken gekauft. Die sich eintrübende wirtschaftliche Lage und die klammen Kassen werden es Russland erschweren, den kostspieligen Krieg fortzusetzen. Laut Haushaltsentwurf werden die Verteidigungsausgaben von den für dieses Jahr geplanten 13,5 Billionen Rubel kommendes Jahr auf 12,8 Billionen Rubel zurückgehen – und dass trotz der weiterhin hohen Inflation.
Ein Drittel der Einnahmen Russlands stammen aus Export von Öl und Gas
Ein Senken des Preisdeckels auf russisches Öl sowie ein stärkeres Vorgehen gegen Russlands Schattenflotte würden den ökonomischen Druck auf Moskau weiter erhöhen. Denn etwa ein Drittel des russischen Staatshaushalts stammt aus Einnahmen durch den Export von Öl und Gas. Zudem würde die Zustimmung der Bevölkerung, den Krieg in der Ukraine fortzusetzen, voraussichtlich nachlassen, sollte sich die Wirtschaftsdynamik weiter abschwächen. Erst wenn Putin das Gefühl bekommt, dass er durch die Fortsetzung seines Angriffskrieges mehr verlieren als gewinnen kann, wird er sich für Verhandlungen bereit zeigen. Es kann aber nur dann funktionieren, darauf zu warten, dass sich die wirtschaftliche Lage in Russland weiter eintrübt und somit die Wahrscheinlichkeit für einen Frieden erhöht, wenn die Ukraine gleichzeitig weiterhin wirtschaftlich unterstützt wird. Denn auch hier belastet der Krieg die Wirtschaft und den Staatshaushalt enorm. Das Verhältnis von Schulden zur Wirtschaftsleistung in der Ukraine steht kurz davor, die Schwelle von 100 Prozent zu überschreiten.