^

URL: https://www.frauenfinanzseite.de/index.php?id=1,13082,0,0,1,0


DWS Chart der Woche: Kreditverknappung, aber keine Kreditklemme

Europas Bankensektor scheint relativ krisenfest



Schon lange vor Covid-19 begannen Ökonomen, sich von biologischen Modellen zur Verbreitung von Infektionskrankheiten inspirieren zu lassen, um Panikphasen an den Finanzmärkten besser zu verstehen1).

Ein besseres Verständnis dafür, über welche Netzwerke die Ansteckung an den Finanzmärkten funktioniert, plus wie und warum die Struktur komplexer Finanzsysteme von Bedeutung ist, sollte den Aufsichtsbehörden helfen, die richtigen Schritte zu unternehmen, um Krisen abzumildern. Krisen, wie die Probleme, die mit dem Zusammenbruch einer Bank im Silicon Valley vor einigen Wochen begannen.

Allerdings neigen Forscher, die mit der Modellierung von Infektionskrankheiten und finanzieller Ansteckung vertraut sind, dazu, den aktuellen Stand der Letzteren mit dem Stand der Epidemiologie in den 1970er und 1980er-Jahren zu vergleichen: viele theoretische Erkenntnisse, aber viele Fragezeichen, wie diese am besten in die Praxis umgesetzt werden können2). Ein belastbareres Argument für Zuversicht in europäische Banken könnte sein, dass viele von ihnen gerade ein ziemlich hartes Jahrzehnt hinter sich haben, ebenso wie die Europäische Zentralbank (EZB), unter deren Aufsicht der Sektor seit 2014 steht. Neue Regeln zwangen die Banken, die Kreditvergabe mit mehr Kapital zu hinterlegen. Das ständige Gefühl, dass jederzeit Ärger auftauchen könnte, hat wahrscheinlich dazu beigetragen hat, Exzesse zu zügeln3).

Die Kreditvergabe in der Eurozone wird bereits straffer

Bisher scheinen die europäischen Banken die geldpolitische Straffung der EZB recht gut überstanden zu haben. Die Hypothekenzinsen haben sich mehr als verdoppelt, was zu einem Rückgang der Nachfrage nach neuen Krediten führte. Wie unser „Chart der Woche“ zeigt“, wächst der Bestand an ausstehenden Krediten zwar noch. Aber wie die neuesten Daten der EZB, die diese Woche veröffentlicht wurden, zeigen, sind die neuen Kredite für den Kauf von Wohneigentum bereits erheblich zurückgegangen. Eine insgesamt restriktivere Geldpolitik dürfte sich in einer schwächeren Kreditdynamik niederschlagen, sodass der Bestand an ausstehenden Krediten in den kommenden Monaten voraussichtlich schrumpfen wird.

Nähere Aufschlüsse dürfte insbesondere der Bank Lending Survey bieten, der Ende April veröffentlicht wird. „Angesichts der Straffung der Geldpolitik und der Spannungen im Bankensektor erwarten wir eine weitere Verschärfung der Kreditstandards“, betont Ulrike Kastens, Volkswirtin Europa bei der DWS. Da die Volkswirtschaften in der Eurozone weitgehend durch Bankdarlehen finanziert werden, dürfte eine solche Verschärfung auch notwendig sein, um die Inflation wieder in Richtung des EZB-Ziels von unter zwei Prozent zu bringen.

Gewiss, es gibt Risiken. Die derzeitigen europäischen Regulierungs- und Bankenabwicklungsrahmen weisen nach wie vor erhebliche Mängel auf, und die Fortschritte auf dem Weg zur lang versprochenen Bankenunion waren die letzten Jahre spärlich. Beispielsweise unterscheiden sich die Insolvenzverfahren in den Mitgliedstaaten erheblich, und viele mächtige Vetospieler könnten die Entscheidungsfindung verlangsamen, insbesondere bei der Rettung kleinerer Banken4).

Wie bei allen neuen Vorschriften werden gut gemeinte Regelungen auch diesmal – unvermeidlich – unvorhergesehene Auswirkungen auf das Verhalten gehabt haben, vielleicht in scheinbar weit entfernten Ecken des europäischen oder weltweiten Finanzsystems jenseits der behördlichen Aufsicht5). Momentan sieht es jedoch so aus, dass zumindest Europa eine ausgewachsene Kreditklemme wird vermeiden können, bei der viele Banken gleichzeitig die Kreditvergabe ganz einstellen.

1) Rethinking the Financial Network, Speech by Andrew Haldane, Executive Director, Financial Stability delivered at the Financial Student Association in Amsterdam on 28 April 2009 (bankofengland.co.uk)
2) Kucharski, A. (2020) The Rules of Contagion: Why Things Spread - and Why They Stop, Wellcome Collection
3) Europe’s banks and U.S. real estate (dws.com)
4) Completing Europe’s banking union: economic requirements and legal conditions (bruegel.org)
5) Wenn etwa Banken Absicherungsinstrumente einsetzen, um Risiken in ihren eigenen Bilanzen zu reduzieren, können diese Risiken irgendwann plötzlich an anderer Stelle wieder auftauchen. Siehe: Interest rate risk exposures and hedging of euro area banks’ banking books (europa.eu)

 

Veröffentlicht am: 01.04.2023

AusdruckenArtikel drucken

LesenzeichenLesezeichen speichern

FeedbackMit uns Kontakt aufnehmen

FacebookTeile diesen Beitrag auf Facebook

Nächsten Artikel lesen

Vorherigen Artikel lesen

 

Neu:

▪ Dividenden: Zuverlässigkeit ist Trumpf

▪ DWS Marktausblick April 2024

▪ Chartanalyse: Jungheinrich

▪ Mit dem Mietwagen ferne Länder erkunden

▪ US-Schuldenlast, Inflation und Wirtschaftswachstum – Wie passt das zusammen?

▪ Mit dem Elektroauto in die Waschstraße?

▪ Vom fehlenden Mut der EZB

▪ Chartanalyse: Kontron

▪ Hot Topic - IWF senkt Wachstumsprognose erneut

▪ HUT AB!


 

 

 

 

Werbung

Werbung

 

 

 

Werbung

             

 

Besuchen Sie auch diese Seiten in unserem Netzwerk:
| Börsen-Lexikon
| Fotograf Fotomensch Berlin
| Geld & Genuss
| gentleman today
| genussmaenner.de
| geniesserinnen.de
| instock.de
| marketingmensch | Agentur für Marketing, Werbung & Internet
| Unter der Lupe

© 2024 by frauenfinanzseite.de, Groß-Schacksdorf. Alle Rechte vorbehalten.