„Hätte uns jemand vor fünf Jahren gesagt, dass uns eine globale Pandemie bevorsteht, eine Immobilienkrise in China, die Lieferketten stark gestört werden, ein Krieg in Europa ausbrechen und die Auseinandersetzungen im Nahen Osten eskalieren würden plus, dass die Renditen zweijähriger US-Anleihen über fünf Prozent steigen würden, hätte niemand mit einer derart guten Entwicklung an den Kapitalmärkten gerechnet“, sagt Vincenzo Vedda, Chief Investment Officer.
2024 sei wohl das zweite Jahr, in dem die Aktienmärkte ein Plus von mehr als 20 Prozent sehen würden. Dennoch geht Vedda nicht von einer Blase an den Märkten aus. „Ich erwarte, dass es weiter aufwärts gehen wird.“ Allerdings sei die Gefahr für negative Überraschungen gestiegen. Sollten sich die Annahmen eines Soft Landings und einer deutlichen Steigerung der Unternehmensgewinne – speziell in den USA – als falsch erweisen, könne es jedoch deutlich negative Überraschungen geben. Generell sei in dem derzeit recht unsicheren Umfeld die Diversifikation bei der Kapitalanlage ein Schlüssel zum Erfolg.
Tiefpunkt in Eurozone dürfte erreicht sein
Für Europa erwartet Johannes Müller, Chief Economist, eine Normalisierung des Wirtschaftszyklus, vor allem deshalb, weil der Tiefpunkt im Produktionszyklus erreicht sein dürfte. Die Frage, wie sich die momentan herrschende Unsicherheit auf harte ökonomische Daten auswirke, hänge von dem sogenannten Sentiment ab, so Müller. In Europa und Deutschland sei es derzeit negativ, aber Unsicherheit könne sich auch in Aufbruchstimmung übersetzen „Wir unterschätzen immer wieder, wie flexibel Unternehmen auf Änderungen reagieren“, so Müller. Zuletzt seien die ökonomischen Daten für die Eurozone besser ausgefallen als erwartet. Auch die Inflation sei deutlich zurückgegangen. Müller erwartet, dass die EZB die Zinsen in den nächsten zwölf Monaten fünf Mal senken und das Wachstum von 0,7 Prozent in diesem Jahr leicht auf 0,9 Prozent im Jahr 2025 anziehen werde. Die US-Wirtschaft habe sich als sehr resilient erwiesen, besonders dank der fiskalischen Impulse, der Auflösung der in der Pandemie gebildeten hohen Ersparnisse, die den Konsum gestärkt hätten, und des robusten Arbeitsmarktes. Die US-Notenbank dürfte zwar an ihrem Zinssenkungspfad festhalten, aber wohl nicht so schnell wie noch bis vor Kurzem von den Märkten erwartet. Müller erwartet drei Zinssenkungen in den USA auf Sicht von zwölf Monaten. Das Wachstum dürfte sich 2025 auf 2,0 Prozent leicht abschwächen, nach 2,7 Prozent im Jahr 2024.
Euro-Investment-Grade Unternehmensanleihen favorisiert
„Die Renditeaussichten für Zinsanlagen sind in allen Bereichen positiv, die Anlageklasse nach wie vor sehr attraktiv“, sagt Thomas Höfer, Head europäische Unternehmensanleihen EMEA. Für zehnjährige Staatsanleihen erwartet er für die USA auf Sicht von zwölf Monaten eine Rendite von 4,5 Prozent, für Bundesanleihen 2,2 Prozent. Damit läge der erzielbare Gesamtertrag bei 4,6 (USA) und 4,3 Prozent (Bundesanleihen). Bei Unternehmensanleihen seien die Zinsaufschläge gegenüber Staatsanleihen inzwischen auf einem historisch niedrigen, aber noch akzeptablen Niveau. Der Markt habe ein schwaches Wachstum, keine Rezession und ein stabiles Finanzsystem eingepreist. Höfer favorisiert Euro-Unternehmensanleihen guter Qualität, bei denen Gesamtrenditen von 4,7 Prozent möglich seien. Bei Hochzinsanleihen sei es wahrscheinlicher, dass es zu einer Ausweitung der Zinsaufschläge und damit zu Kursverlusten kommen könne. Allerdings entschädige die höhere Verzinsung für diese Risiken. Höfers Fazit: „Zinsanlagen bieten attraktive Renditen und positive Ertragsaussichten. Der Appetit nach der Assetklasse lässt weitere Mittelflüsse erwarten und wirkt sich unterstützend auf die Bewertung aus.“
USA: Starkes Gewinnwachstum dürfte hohe Kurse stützen
„Höhere Gewinne, aber auch höhere Risiken für negative Überraschungen“ – so schätzt David Bianco, Chief Investment Officer USA, die Aussichten für US-Aktien ein. Die Politik des designierten US-Präsidenten Donald Trump – insbesondere die angestrebten Maßnahmen zur Deregulierung und die Steuersenkungen – werde gut für die Entwicklung der Unternehmensgewinne sein. Das Gewinnwachstum für Unternehmen des S&P 500 dürfte 2025 bei zehn bis fünfzehn Prozent liegen. Technologieaktien dürften weiterhin zu den Kurstreibern gehören, aber auch Finanztitel, energieintensive Unternehmen und Versorger seien aussichtsreich. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass die angekündigten Zölle nicht ausuferten und nur gezielt erhoben würden. „Per Saldo könnten sich die Effekte von Zöllen und Steuersenkungen in etwa ausgleichen“, so Bianco. Den S&P 500 sieht er auf Sicht von zwölf Monaten bei 6.500 Punkten liegen. Die Bewertungen von US-Aktien dürften damit nach wie vor sehr hoch bleiben – ein erwartetes Kurs-Gewinn-Verhältnis von 21,5, sei aber angesichts der Gewinndynamik und einer lang anhaltenden Expansion der Wirtschaft zu rechtfertigen: „Wir erwarten ein starkes, langanhaltendes Wachstum“, so Biancos Fazit.
Europäische Aktien könnten von zyklischem Aufschwung profitieren
Die Renditeaussichten für die globalen Aktien dürften auch 2025 gut sein. Neun Prozent Rendite für den MSCI All Countries World Index erwartet Marcus Poppe, Co-Head europäische Aktien. Auch für europäische Unternehmen könnte sich 2025 die Situation zum Positiven wenden. „Der langanhaltende globale Abwärtstrend in der Industrie könnte 2025 enden. Davon dürften dann insbesondere europäische Unternehmen profitieren, insbesondere auch Nebenwerte“, erwartet Poppe. Sollte es zu einem Stimmungswechsel kommen, könnte der private Konsum für einen erheblichen Schub sorgen, wenn die derzeit sehr hohe Sparquote in Europa von 15 Prozent heruntergefahren werde. Allerdings sei in näherer Zukunft nicht zu erwarten, dass europäische Aktien besser abschnitten als US-Titel, trotz des rekordhohen Bewertungsabschlags von 45 Prozent. Dazu seien die Wachstumsaussichten für die USA zu gut. Zudem gelte: Globale Investoren investierten nur dann verstärkt in Europa, wenn sich ein zyklischer Aufschwung abzeichne. Risiken für die insgesamt positiven Aussichten lägen insbesondere in einem deutlichen Anstieg der US-Zinsen auf ein Niveau von fünf Prozent und in einer Zuspitzung des Handelskrieges und der geopolitischen Risiken.
Aussichtsreiche asiatische Anleihen
„Wir schätzen die Aussichten für Aktien aus dem asiatisch-pazifischen Raum (APAC) als neutral ein“ sagt Ivy Ng, Chief Investment Officer APAC. In China, Indien und auch in Japan komme der Entwicklung des inländischen Konsums eine zentrale Bedeutung zu. „In China warten wir noch darauf, dass sich die staatlichen Stimulusmaßnahmen auch in den Unternehmensergebnissen niederschlagen“, so Ng. Die Auswirkung von US-Zöllen könnte etwas geringer sein als von vielen erwartet, da der Exportanteil in die USA von 20 Prozent im Jahr 2017 auf 13 Prozent im Jahr 2023 zurückgegangen sei. In Indien wiederum hänge die weitere Entwicklung des Aktienmarktes wesentlich davon ab, dass die Unternehmen mehr investierten und die hohen Bewertungen durch eine Steigerung der Profitabilität rechtfertigten. Der japanische Aktienmarkt wiederum könnte von einer zyklischen Erholung der Weltwirtschaft profizieren. Er werde gestützt durch die stark gestiegenen Aktienrückkaufprogramme aber auch durch die Reallohnsteigerungen, die den Konsum beflügelten. Bei asiatischen Anleihen sieht Ng insbesondere Chancen durch eine breitere Diversifikation, die das Gewicht chinesischer Anleihen verringere und Wachstumstreiber wie Japan, Indien, Indonesien berücksichtige. Positiv dürften sich insbesondere die weiteren Zinssenkungen in den USA auswirken und die günstige Inflationsentwicklung in Asien.
Turnaround bei Immobilien – attraktive Infrastruktur
„Nach zwei harten Jahren am europäischen Immobilienmarkt sehen wir einen Turnaround“, sagt Ulrich von Creytz, Chief Investment Officer Real Estate Europe. „Wir haben zuletzt eine Erholung bei Core-Immobilien beobachtet, insbesondere in den Bereichen Wohnen, Logistik und hochwertige Büros.“ Nachdem die Märkte wegen des Zinsanstiegs, der auf die Invasion Russlands in die Ukraine folgte, in schwierige Fahrwasser gerieten seien, habe sich die Lage deutlich verbessert. Allerdings sei der Markt zweigeteilt: Hochwertige Objekte würden schon seit dem zweiten Quartal 2024 wieder verstärkt nachgefragt, bei Immobilien niedrigerer Qualität stehe der Wendepunkt noch bevor.
Bei Immobilienkrediten rechnet von Creytz mit einer wachsenden Finanzierungslücke, da Banken ihre Portfolios aufgrund höherer Risikovorsorge und verstärkter Regulierung strafften. Dies schaffe mehr Möglichkeiten und attraktive Renditeerwartungen für alternative Kreditgeber. „Wir gehen davon aus, dass Whole-Loan-Strategien, also dass ein Kreditgeber den gesamten Kreditbetrag zur Verfügung stellt, eine immer wichtigere Rolle spielen werden, anstelle der traditionellen Kombination aus vorrangigen Bankkrediten und Eigenkapital-Finanzierung“, so von Creytz. Ein weiterer attraktiver Sektor seien Infrastrukturinvestitionen in Europa, für die sich der Kapitalbedarf bis zum Jahr 2040 auf 14 Billionen Euro summieren dürfte. Das biete insbesondere attraktive Investitionsmöglichkeiten für private Infrastruktur-Fremdkapitalinvestitionen, da die Staaten diese Volumina allein nicht stemmen könnten.