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Dienstag, 23. April 2024
   
 

Unvergessene Weihnachten - die elfte Geschichte

Alle Jahre wieder - dieser verflixte Weihnachtsbaumkauf von Romano C. Failutti



Rinteln/Weser, Kreis Schaumburg, Niedersachsen; kurz vor Heiligabend 1988

So sicher es jedes Jahr Weihnachten wird, so sicher gibt es zwischen meiner Angetrauten und mir um diese Zeit "Theater". Die "Aufführung" findet nicht einmal in unseren vier Wänden statt, sondern sie findet dort nur ihre Fortsetzung und ihr Ende.

Sonst aber bevorzugen wir die wieder modern gewordene Form der Straßenbühne, und da ziehen wir beide als Akteure sämtliche Register unseres schauspielerischen Könnens.
Irgendwann vor dem Heiligen Abend erinnert mich meine Marianne: "Langsam müssen wir uns mal um einen Weihnachtsbaum kümmern."

Und jedesmal habe ich natürlich auch längst daran gedacht, nur nicht davon gesprochen. Aber es gibt ja sowieso kein Entkommen vor diesem schönen Brauch! Sie denkt ja daran und sie spricht sowieso aus, was getan werden muß.

Irgendwann, lampenfiebergeschüttelt, machen wir uns gemeinsam auf den Weg. Wir wissen, was auf uns zukommt. Wir nehmen uns zwar jedesmal vor, in der Wahl unserer Ausdrucksmittel sparsam zu sein, auf große Gestik und starke Worte zu verzichten, denn in der Beschränkung erweist sich der Meister, aber es kommt doch wieder so, wie es kommen muß - bei uns.

Vorsichtig und erwartungsvoll taxiert uns der Weihnachtsbaumverkäufer, als wir uns in seinen Bannkreis begeben. Noch sind wir Interessenten wie alle anderen. Er ahnt nicht, was auf ihn zukommt. Heimliches Bedauern für den Mann erfaßt mich. Er muß mitspielen und er weiß es noch nicht!

In vielen Ehejahren habe ich gelernt, mich zurückzuhalten, meiner Frau den großen Part zu überlassen, die sich hochgestimmt mit mir auf den Weg machte, nun diesen und jenen Baum ins Auge faßt und deren Antlitz jede ihrer Regungen widerspiegelt. Warnzeichen Nummer eins: Sie schiebt die Unterlippe sehr weit vor! Also: Die Naturgewachsenen finden vor ihr keine Gnade. Der eine ist ihr zu klein, der andere zu groß, der hat zwei Spitzen, der ist ja jetzt schon braun statt grün, der ist zu kahl, der zu voll, der zu ausladend, der ist nicht rundherum gleichmäßig gewachsen, sondern schlägt nur nach einer Seite aus, also vorne nichts und hinten zu viel. Oder, wenn man ihn umdreht, hinten nichts und vorne zuviel!

Mein Argument, wenn man ihn doch sowieso in eine Ecke stellt, dann paßt er doch mit der Seite, wo die Äste kürzer sind, gut hinein, wird rigoros als Blödsinn bezeichnet und zur Seite gewischt. Der da hinten, der ...
"Der ist doch viel zu teuer!", rufe ich verschreckt beim Blick auf den Preis.
"Ist ja auch 'ne Edeltanne!"
"Schön soll er schon aussehen, aber nicht für so viel Geld! Da mache ich nicht mit! Er steht doch nur zwei, drei Wochen", erkläre ich.
Marianne quält ihre Unterlippe mit den Zähnen. Warnzeichen Nummer zwei!
"Es ist ja nur einmal im Jahr Weihnachten", zischt sie.
"Aber du mußt doch einsehen, daß das Fantasiepreise sind, die da verlangt werden. Der da, der ist doch auch sehr schön", weise ich unbestimmt in die preisgünstigere Richtung.
"Welcher?" - Schnell hebe ich irgendeinen an.
"Diese Krücke!" schallt ihre Stimme über unseren bezaubernden Marktplatz, dem viele schöne alte Häuser sein romantisches Gepräge geben - und der Baumverkäufer blickt betreten.
"Nee, der nicht", gebe ich schnell zu und lasse ihn in seine Reihe zurückgleiten wie eine heiße Kartoffel in den Topf. "Da hast du wirklich recht."
Es war tatsächlich kein guter Griff.
Der Mann will uns wohl schnell loswerden. Unsere Kritik könnte sein Geschäft schädigen. Jetzt macht er Vorschläge. Er stapft vor uns her und stellt uns Bäume hin, die er aus seinem Angebot herausgreift.
"Nein", sagt sie. - "Ach nee", sage ich.
"Der! Aber der ist doch bildschön!" sagt der Mann.
Ihr Hohnlachen gellt über den Platz, verliert sich in den stimmungsvollen Gassen unseres Weserstädtchens.
"Der sieht ja aus, als hätte er die Räude!"
Der Baumverkäufer zieht den Kopf zwischen die Schultern, zuckt die Achseln.
"Sei doch nicht so drastisch", bitte ich. "Er kann doch auch nicht dafür. Natur ist eben mal Natur."

Mir tut der Handelsmann leid, aber in Mariannes Kopf sind nun mal gewisse Vorstellungen und da steckt auch noch der Spruch ihrer Oma, einer Ur-Berlinerin, drin: ‚Für mein Jeld, da kann ick den Deibel tanzen lassen!'
Jetzt fische ich ein Gewächs heraus: "Wie wär's mit dem? Der geht doch! Und langsam müssen wir uns auch mal entscheiden."
Sie guckt und nagt und nagt an ihrer Unterlippe und guckt. Gleich wird die Unterlippe zu bluten anfangen. Warnzeichen Nummer drei - und was kommt danach?
Ein Herr umschleicht uns, wirft begehrliche Blicke auf den "Besen", wie sie verspottet, was ich ihr da vorhalte.
"Was soll der kosten?", fragt der Herr den Verkäufer.
"Zweiundzwanzig Mark", ist die Antwort.
"Nehme ich", sagt der Herr kurz und knapp.
"Den nehmen wir! Den hat mein Mann doch schon in der Hand!"

Besitzergreifend und unmißverständlich legt meine Frau auch die ihre an den Stamm.
Enttäuscht wendet sich der Herr anderen Objekten zu. Er scheint wirklich ein Herr zu sein, der sich niemals mit einer Dame um etwas zanken oder gar mit ihr um einen "Besen" kämpfen würde. "Würde" fällt mir in diesem Augenblick ganz plötzlich dazu ein.
Sichtlich erleichtert packt der Verkäufer uns den Baum ins Netz, entfernt wunschgemäß einige Äste vom unteren Stamm, damit wir ihn zu Hause mühelos in die "Hutsche" praktizieren können.

In den folgenden Tagen fragen wir uns, wie unser Bäumchen wohl in unserem Weihnachtszimmer wirken wird. Ganz zufrieden ist Marianne doch nicht. "Das ist doch wieder nur so ein Festgestrüpp", sagt sie.
Aber am Heiligen Abend steht der Weihnachtsbaum geschmückt in unserer Mitte, und er strahlt, verbreitet festliche Stimmung und ist wunderschön.

"Was haben wir doch für einen herrlichen Baum", flüstert sie ergriffen und ich nicke still: "Ja. Wie jedes Jahr."
Und die Tochter pflichtet bei: "Ich weiß gar nicht, was ihr immer für einen Hermann mit dem Baum macht. Der ist doch echt geil, wie immer."
Für diese Wortwahl möchte ich ihr zwar am liebsten ... na ja ... Aber der Lichterglanz stimmt mich milde.

Als Marianne am ersten Feiertag in der Küche herumklappert und ich mich unbeobachtet und nicht abgehört fühle, rufe ich Siggi an. Siggi ist ein Arbeitskollege von mir.
"Frohe Weihnachten", wünsche ich ihm. "Und vielen Dank, Siggi, daß du den Herrn gespielt hast, der unseren Baum haben wollte, neulich auf dem Marktplatz. Sonst stünden wir möglicherweise heute noch dort."



Die Geschichte "Willis Heimkehr" ist in Band 2 der Buchreihe "Unvergessene Weihnachten" aus dem Zeitgutverlag Berlin (Preis:  8,90 Euro, ISBN 978-3-933336-73-6) erschienen.

Foto: Pixabay

 

Veröffentlicht am: 11.12.2022

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