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Freitag, 19. April 2024
   
 

Unigestion-Marktkommentar: Money, Money, Money

Die Zentralbanken entkoppeln „Main Street“ und „Wall Street“

Im vergangenen Monat haben wir eine starke Verschlechterung der makroökonomischen Daten, eine Abwärtskorrektur der Gewinnprognosen und eine attraktivere Bewertung wachstumsorientierter Vermögenswerte erwartet, um dann von einer vorsichtigen zu einer positiveren Haltung überzugehen.

Obwohl die makroökonomischen Daten aus dem April einen der größten wirtschaftlichen Schocks der Geschichte bestätigt und die Analysten ihre Gewinnwachstumsprognosen für 2020 stark nach unten revidiert haben, wurde unsere defensive taktische Allokation vom Markt nicht belohnt. In der Tat hatten risikoreiche Anlagen trotz der sich verschlechternden Fundamentaldaten einen der besten Monate in ihrer Geschichte. Was erklärt diese Divergenz? Was bedeutet dies für die Zukunft?

Main Street gegen Wall Street

Der Umfang und das Ausmaß der gegenwärtigen Geldpolitik waren so groß und weitreichend, dass die Beziehung zwischen Fundamentaldaten und Marktpreisen zerstört wurde. In der Regel spiegelt die Rendite risikoreicher Anlagen die wirtschaftliche Leistung eines Landes, eines Sektors oder eines Unternehmens wider. Die gleiche Beziehung kann man auch zwischen den Renditen von Staats- oder Unternehmensanleihen und dem Schuldenstand, dem Wachstumspfad und dem Rating des Landes oder Unternehmens anwenden. Diese historische Beziehung ist in jüngster Zeit zerbrochen. Die Anlage-Performance im April 2020 spiegelt diese Diskrepanz wider. Trotz eines weltweit dramatischen Anstiegs der Arbeitslosenzahlen, der schlechtesten vierteljährlichen Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in den USA und Europa seit dem Zweiten Weltkrieg und eines historisch niedrigen Verbrauchs und Vertrauens, erzielten die Aktienmärkte eine der besten Monatsrenditen aller Zeiten.

Der MSCI World AC verzeichnete im vergangenen Monat eine Rendite von +10,7%, die zweitbeste Monats-Performance in der Geschichte nach April 2009. Man könnte diese Diskrepanz mit dem abweichenden Zeithorizont erklären, welcher durch übereinstimmende oder rückwärtsgerichtete makroökonomische Daten und zukunftsorientiertere Märkte wiedergegeben wird. Diese Erklärung ist jedoch nicht stichhaltig, da die BIP-Zahlen des ersten Quartals die negativen Auswirkungen der „Eindämmung“ des Coronavirus nur teilweise berücksichtigen (zwei Wochen für die US-Wirtschaft und zwischen drei und vier Wochen für die europäischen Länder). Wir wissen bereits, dass die Zahlen für das zweite Quartal deutlich schlechter ausfallen werden und dass die Ungewissheit über eine Rückkehr zur Normalität hoch bleiben wird. Die Situation für „Main Street“ wird sich in nächster Zeit nicht verbessern, aber „Wall Street“ scheint anders zu denken.

Die Geldpolitik ändert das Spiel (erneut)

Diese Entkopplung zwischen der Realwirtschaft und den Kapitalmärkten ist vor allem auf die neue Rolle der Zentralbanken zurückzuführen. Sie haben beschlossen, alles zu kaufen, unabhängig von Preis und Risiko der Anlagen, um die Weltwirtschaft vor größeren Verwerfungen zu bewahren. Nachdem sie 2008 den Finanzsektor und 2011 die europäischen Peripherieländer gerettet haben, retten sie nun große Unternehmen vor dem Konkurs und Regierungen vor höheren Kosten für ihre Schulden. Das Ziel ist so groß geworden, dass die Instrumente angepasst werden mussten. Die Fed hat ihre Bilanz in nur sechs Wochen um 2,5 Billionen Dollar erhöht. Dies entspricht mehr als 10% des US-BIP. Die EZB, BoJ, RBA, BoE und BoC folgen alle diesem revolutionären Trend. Hochrechnungen zeigen, dass die Zentralbanken der G4-Staaten bis Ende des Jahres rund 60% des BIP in den Bilanzen halten könnten.

In der neuen Normalität spielt zwar die Größe (die riesig ist) eine Rolle, aber der Umfang ist bedeutsamer und massiver, als sich irgendein „Helikoptergeld"-Rhetoriker hätte vorstellen können. Dank des „Portfoliokanal"-Effekts müssen Zentralbanken keine Aktien oder Hochzinsanleihen direkt kaufen, um Aktionäre oder Anleihegläubiger zu unterstützen. Es genügt, Geld in andere Märkte, wie etwa die für Investment-Grade-Anleihen oder Mortgage-Backed Securities zu pumpen, da dies die damit verbundene Risikoprämie senkt und damit die Attraktivität risikoreicherer Anlagen erhöht. Darüber hinaus haben die Zentralbanken durch die Erweiterung des Anlageuniversums, das für ihre Asset-Kaufprogramme zugelassen ist, die Tür für eine neue Expansionsphase geöffnet, die Aktien oder herabgestufte Unternehmensanleihen umfassen könnte, falls sich die Situation nicht stabilisiert. Dies verstärkt die Komprimierung der Risikoprämien, die in allen risikobehafteten Anlagen enthalten sind, dank des „Guidance Channel"-Effekts.

In der modernen Geschichte, die durch gedämpfte Inflationsrisiken gekennzeichnet ist, haben wir die Greenspan-Ära und den „Fed Put" erlebt, der den „Zinskanal" nutzte, um die negativen Auswirkungen von Wirtschaftsabschwüngen zu glätten, wodurch eine negative Korrelation zwischen Staatsanleihen und risikoreichen Anlagen entstand. Wir erlebten die „Bernanke- und Draghi-Ära" mit ihrem Konzept der quantitativen Lockerung (QE), das umgesetzt wurde, um die Grenzen niedrigerer Zinssätze zu bewältigen, und das den berühmten Spruch „Bad News is Good News" hervorbrachte. Wir sind jetzt auf Neuland, wo „All-in-Easing" oder „Infinite QE" eine unbegrenzte Nachfrage nach finanziellen Vermögenswerten geschaffen hat. Dies wirft die Frage auf, was Wert bedeutet, wenn man immer einen Käufer letzter Instanz für ein großes Anlagenspektrum hat. Wir glauben, dass diese Situation anhalten und strukturell werden wird, weil sowohl die Größe als auch die Auswirkungen zu wichtig sind, um mittelfristig beseitigt zu werden. Damit ist das „neue Normale“ zur Norm geworden, das Vorübergehende wird zum Dauerhaften. Möglicherweise haben wir die positiven Auswirkungen sowohl auf die Marktstimmung als auch auf die Bewertung unterschätzt, die die April-Rally angeheizt haben.

„Don’t fight the Fed"

Die erste Konsequenz dieses „Game Changer" ist die Validierung der quantitativen Geldtheorie, allerdings auf eine andere Art und Weise als die von Friedman entwickelte, die davon ausging, dass die Geldmenge den Preis von Gütern bestimmt. Im Endeffekt hat die Geldmenge, die von den Zentralbanken seit der Einführung des QE injiziert wurde, zwar die Preise der Vermögenswerte, nicht aber die der von den Haushalten und Erzeugern konsumierten Güter erhöht. Letztlich spiegelt der Preis nur das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage wider. Wenn das Angebot unverändert bleibt (oder sogar aufgrund von Delistings oder Rückkäufen zurückgeht) und die Nachfrage dank der Bilanzausweitung der Zentralbank stark steigt, können die Kurse von Aktien und Risk Assets unabhängig von den Fundamentaldaten steigen.

Wir könnten dies veranschaulichen, indem wir die monetäre Geschwindigkeit, die als Einheit des BIP pro Geldmengeneinheit (M2) bezeichnet wird, mit dem vergleichen, was wir die finanzielle Geschwindigkeit nennen, die die Einheit des S&P500 pro Geldmengeneinheit darstellt. Historisch gesehen bewegen sich beide parallel, was die Beziehung zwischen der Wirtschaft und den Aktienrenditen bestätigt. Seit den Zentralbankkäufen von 2020 ist die Geldumlaufgeschwindigkeit im April auf einen neuen Tiefststand gefallen, während das Verhältnis von S&P 500 zu M2 in diesem Zeitraum deutlich auf das Niveau von vor 2008 angestiegen ist. Aus Sicht der Asset-Allokation würde dies bedeuten, dass das bekannte Mantra „Don't fight the Fed“ zunehmend Gültigkeit erlangt und bei allen taktischen Entscheidungen neben der Fundamentalanalyse, der Positionierung, der Stimmungsüberwachung und der Bewertung berücksichtigt werden sollte. Das Mantra macht auch deutlich, wie kostspielig es sein kann, nicht dem Beta ausgesetzt zu sein, besonders wenn andere wichtige Zentralbanken der Fed folgen.

Aus diesem Grund sind wir in unserem wachstumsorientierten Engagement selektiv und bevorzugen Anlagen mit einer größeren Sensitivität gegenüber den Maßnahmen der Zentralbanken als solche mit einem höheren Beta zum Wachstum. Infolgedessen haben wir trotz eines sich verschlechternden makroökonomischen Umfelds unseren Anteil an Investment-Grade-Unternehmensanleihen in unserem Portfolio erhöht. Wir glauben, dass diese außerordentliche Unterstützung durch die Zentralbanken den „Risk/Reward“ dieser Anlageklasse verändert hat, indem das Liquiditätsrisiko gesenkt und ihre Bewertung verbessert wurde. Das Vorgehen der US-Notenbank hat auch den Druck auf die Dollar-Finanzierung gemildert und die Visibilität von Emerging-Markets-Anlagen verbessert. Angesichts der Instrumente, die in China für weitere unterstützende Maßnahmen zur Verfügung stehen, und der relativen Attraktivität von Anlagen aus Schwellenländern gegenüber Industrieländern hat unsere taktische Allokation derzeit eine positive Neigung auch zu Schwellenländeraktien.

Kurzfristig könnte der Trend günstig bleiben

Die Marktstimmung scheint nun aus mehreren technischen Gründen ausgeglichener zu sein:
1) Wir beobachten eine Normalisierung an den Treasury-Märkten und eine Verringerung der Spreads an den Dollar-Finanzierungsmärkten.

2) Seit Beginn der Korrektur im Februar sind rund 1,1 Billionen Dollar in US-Geldmarktfonds und weitere 1,2 Billionen in US-Bankeinlagen geflossen. Wir beobachten ein ähnliches Muster in anderen Ländern. Diese enorme Cash-Menge könnte kurzfristig investiert werden, sollte die COVID-19-Kurve weiter sinken.

3) Die derzeit niedrige Aktienpositionierung, die durch unsere Beta-Analyse für systematische und diskretionäre Hedge-Fonds-Strategien verfolgt wird, könnte umgekehrt werden. Erstens: Falls die Aktienmärkte weiter steigen oder sich stabilisieren, wird die implizite und realisierte Volatilität abnehmen, was die Risikobereitschaft in den Portfolios wieder steigern wird. Zweitens könnten Trendfolgestrategien, die derzeit netto short in globalen Aktien und Credit Spreads sind, ihre Positionen bald mechanisch umkehren, wenn die Rally in den kommenden Wochen anhält. Diese Elemente könnten eine neue Hausse für wachstumsorientierte Vermögenswerte auslösen, ohne dass sich die Fundamentaldaten, die Wirtschaftsaussichten und die Gewinnerwartungen insgesamt verbessern. Die Divergenz zwischen Main Street und Wall Street würde sich dadurch in Zukunft ausweiten anstatt sich zu verkleinern.

Das Tail-Risiko hat sich zwar vom Markt zurückgezogen, aber nicht aus unserem Blick
Oberflächlich betrachtet, wenn wir uns die Performance der meisten risikoreichen Anlagen im April oder seit Jahresbeginn anschauen, scheint die Krise
1) hinter uns zu liegen,

2) nicht so dramatisch und

3) eher eine große Phase des Marktstresses zu sein als eine, die durch einen der größten Makroschocks seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst wurde.

Unter der Oberfläche allerdings offenbaren die Details der jüngsten Rally eine etwas unterschiedliche Geschichte. Aus verschiedenen Gründen haben sich im April nur einige wenige Marktsegmente erholt. Somit war das Ausmaß der Erholung sowohl bei wachstumsorientierten Anlagen als auch bei Sektoren schwach. Zyklische Rohstoffe, Schwellenländeraktien, zyklische Aktiensektoren und das untere Kreditsegment befinden sich alle näher an ihren Tiefstständen als an ihren Höchstständen. Zur Veranschaulichung: Der Russel-1000-Index, der im April gut abgeschnitten hat (+15%), liegt im bisherigen Jahresverlauf immer noch bei -20% und damit deutlich hinter anderen US-Aktienindizes zurück.

Diese Konzentration des Aufwärtsbeitrags birgt unserer Ansicht nach zwei Risiken:
1) Die derzeitige Differenzierung zwischen Gewinnern und Verlierern auf der Grundlage von Schumpeters „kreativer Zerstörung“ könnte in Frage gestellt werden, wenn die Normalisierung der Wirtschaft länger als erwartet dauert. Unser Nowcaster für das BIP Chinas zeigt, dass obwohl die Erholung in mehreren Sektoren auf Kurs ist, die aktuellen Niveaus für mehrere Segmente immer noch deutlich niedriger sind als vor der Krise.

In Südkorea sehen wir ein ähnliches Bild. Eine breitere und längere Rezession wird die Vorteile der Differenzierung begrenzen und die derzeitigen Gewinner beeinträchtigen, da ihre Gewinne nach unten revidiert werden.

2) Je größer die Konzentration, desto größer ist die Fragilität der Finanzsektoren aufgrund einer überfüllten Positionierung. Ein neuer Schock in Verbindung mit einer negativen Überraschung auf COVID-19 wird eine neue negative Rückkopplungsschleife auslösen, die durch einen „Liquidity Run " angetrieben wird.

Um diesen beiden Risikoquellen entgegenzuwirken, haben wir neben unserer Übergewichtung sowohl bei Investment-Grade-Anleihen als auch bei Schwellenländeraktien eine Position bei impliziter langfristiger Volatilität hinzugefügt, die im Falle eines weiteren starken Rückgangs einen konvexen Schutz in unserem Portfolio bietet. Es besteht eine durchaus nicht zu vernachlässigende Chance, dass das Sprichwort „Sell in May" am Ende „Don’t fight the Fed" und „The Trend is your Friend" übertönt, obwohl die Märkte im April „Money, Money Money" sangen.

 

Veröffentlicht am: 06.05.2020

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