In vergangenen Kriegszeiten haben sich westliche Regierungen häufig eingemischt, um Knappheiten abzumildern. Den Reichsten wurden zusätzliche Steuern auferlegt, um dies auf Opfer „gerecht“ zu verteilen.1
Passend zu diesem Drehbuch haben die explodierenden Energiepreise seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine viele Regierungen dazu veranlasst, verschiedene Arten von Energiepreisgarantien vorzulegen, zusammen mit Maßnahmen zur Finanzierung des Ganzen und zur Stärkung der Energiesparbemühungen.
Nur in Großbritannien hat sich die neue Premierministerin Liz Truss bisher weder ein Energiesparziel gesetzt noch Details zu den mittelfristigen Aussichten für die Staatsfinanzen genannt. Das ist doppelt bedauerlich, da Energieeinsparungen einen signifikanten Beitrag zur Verringerung der drohenden Budgetlücke leisten könnten. Die britische Energiepreisgarantie wird die durchschnittlichen jährlichen Energierechnungen der Haushalte in den nächsten zwei Wintern auf 2.500 Pfund begrenzen. Laut der Analyse von Cornwall Insight zu verschiedenen Energiepreisszenarien könnte dies das Finanzministerium zwischen 70 und 140 Milliarden Pfund kosten.2
Potenzielle Einsparungen im Staatshaushalt des Vereinigten Königreichs durch die Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen als Ergänzung der neuen Energiepreisgarantie
* Energiepreisszenarien auf der Grundlage von Cornwall Insight 5/10/22. Wir gehen von einem Energieeffizienz-Szenario aus, bei dem der Stromverbrauch der Haushalte um 10 % und der Gasverbrauch um 15 % gesenkt wird, was die von den europäischen Staatschefs im Juli und September 2022 vereinbarten Ziele widerspiegelt. Wir sind uns der erheblichen Unsicherheit der zukünftigen Energiepreise und der Auswirkungen der Energieeffizienz bewusst, glauben aber, dass unsere Analyse eine gute Größenordnung für die potenziellen Vorteile einer stärkeren Konzentration auf die Energieeffizienz darstellt. Quellen: Cornwall Insights, EU Council, DWS Investment GmbH; Stand: 05.10.2022
Verstärkte Maßnahmen zur Förderung und Forderung von umweltfreundlichen Gebäuderenovierungen sind unerlässlich, um die steuerlichen Kosten solcher Preisgarantien zu senken, und zwar nicht nur im Vereinigten Königreich. Innerhalb der Europäischen Union (EU) haben sich die Staatsoberhäupter bereits darauf geeinigt, den Stromverbrauch um 10 Prozent3 und den Gasverbrauch um 15 Prozent4 zu senken. Wir verwenden diese Ziele, um verschiedene Szenarien zu erstellen, wie stark die Kosten der britischen Energiepreisgarantie durch ähnliche Maßnahmen gesenkt werden könnten. Wie unser „Chart of the Week“ zeigt, scheinen Budgeteinsparungen von insgesamt 9 bis 18 Milliarden Pfund möglich. Solche Schätzungen können nur grobe Hinweise geben, aber Analysen früherer Krisen deuten ebenfalls auf Energieeinsparungen in ähnlicher Größenordnung hin, falls die neue britische Regierung sich ganz der Energieeffizienz verpflichtet.5
Selbst kurzfristig gibt es zahlreiche Möglichkeiten, den Energieverbrauch zu senken: Allein durch die richtige Einstellung des „Durchflussniveaus“ von Heizkesseln für den Haushalt könnte der Wärmebedarf von typischen Häusern im Vereinigten Königreich um 6-8 Prozent gesenkt werden.6 Solche einfachen Maßnahmen würden nicht nur Solidarität mit der Ukraine zeigen, sondern auch die wachstumsfördernde Agenda der Regierung unterstützen. Langfristig ist ein sparsamer Umgang mit Energie die einzige Lösung, um die russische Gasabhängigkeit zu beseitigen.7 Auch viele Zentralbanker haben inzwischen erkannt, dass Energieeffizienz der beste Weg ist, die Wirtschaft nachhaltig zu beleben.8 In sommerlichen Hitzewellen ist die bessere Dämmung von Häusern notwendig, um die Menschen gesund und produktiv zu halten.9 Und angesichts der hohen Energiepreise sind Wärmepumpen zunehmend attraktiv.10
Das „Mini-Budget“ des letzten Monats und die feindselige Reaktion, die es an den Finanzmärkten ausgelöst hat, hat die Glaubwürdigkeit der neuen britischen Regierung schwer angeschlagen.11 Inmitten hochkarätiger Tory-Streitigkeiten über Einkommensteuern und Sozialleistungen könnten Energiesparmaßnahmen helfen, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. „Großbritannien braucht dringend eine umfassende Kommunikationskampagne zum Energiesparen und neue Wege, um den Kapitaleinsatz bei der Gebäudesanierung zu erleichtern“, fasst Murray Birt, Senior ESG Strategist, zusammen.
1. Ziemlich oft beinhaltete dies Zuschläge auf Zufallsgewinne von Kriegsprofiteuren, selbst in solchen kapitalistischen Demokratien wie den Vereinigten Staaten während des Ersten Weltkriegs. Siehe zum Beispiel Kapitel eins und fünf in Rockoff, H. (2012) America's Economic Way of War: War and the US Economy from the Spanish-American War to the Persian Gulf War (New Approaches to Economic and Social History), Cambridge University Press
2. Cornwall Insight (October 2022) Counting the costs. https://www.cornwall-insight.com/our-thinking/insight-papers/counting-the-costs/
3. European Council (September 2022) https://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2022/09/30/council-agrees-on-emergency-measures-to-reduce-energy-prices
4. European Council (July 2022) https://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2022/09/30/council-agrees-on-emergency-measures-to-reduce-energy-prices/
5. IEA (2011) Saving electricity in a hurry https://www.iea.org/reports/saving-electricity-in-a-hurry-2011
6. https://www.theheatinghub.co.uk/articles/turn-down-the-boiler-flow-temperature
7. DWS (April 2022) https://www.dws.com/en-gb/insights/cio-view/charts-of-the-week/cotw-2022/chart-of-the-week-20220422/
8. Hepburn et al. (2020) https://academic.oup.com/oxrep/article/36/Supplement_1/S359/5832003
9. Climate Change Committee (2022) Risks to health, wellbeing and productivity from overheating buildings https://www.theccc.org.uk/publication/risks-to-health-wellbeing-and-productivity-from-overheating-in-buildings/
10. RAP (2022) Running costs of heat pumps versus gas boilers https://www.raponline.org/knowledge-center/analysis-running-costs-of-heat-pumps-versus-gas-boilers/
11. A chaotic conference fractures Liz Truss’s young premiership | The Economist]