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Samstag, 20. April 2024
   
 

Chart der Woche: Wie und warum „Geld“ wieder wichtig ist

Geldmengenaggregate können helfen, die Genauigkeit von Inflationsprognosen zu erhöhen



Eine der Gesetzmäßigkeiten des ökonomischen Denkens ist, dass alte Ideen selten dauerhaft verschwinden. Gerade wenn sie schon fast vergessen scheinen, erwachen sie wieder zum Leben.

Nehmen wir Geldmengenaggregate, die in ihrer Blütezeit in den 1970er und 1980er-Jahren wie der heilige Gral der Wirtschaftsprognosen erschienen. Bei vielen Ökonomen sind sie seitdem stetig aus der Mode gekommen. Die Idee, dass das allgemeine Preisniveau einer Volkswirtschaft steigt, wenn zu viel Geld hinter zu wenigen Waren her ist, ist intuitiv einleuchtend. Leider stellte sich dieser Zusammenhang aber bald als recht instabil heraus1).

Im Gegensatz dazu haben Praktiker auf den Finanzmärkten, insbesondere an deren Rändern, nie ganz ihr Vertrauen in Geldmengenzahlen verloren, um Marktentwicklungen zu „erklären“. Unser „Chart der Woche“ hilft, die Gründe dafür und die damit verbundenen Gefahren zu veranschaulichen. Er zeigt die Kurse der Aktienmärkte der Industrieländer, gemessen am MSCI World, im Vergleich zu zwei allgemeinen Kennzahlen für das Wachstum der globalen Geldmenge M2 im Jahresvergleich, eine einschließlich und eine ohne China. Intuitiv sieht es so aus, als hätten sich die Aktienrenditen parallel dazu entwickelt, wie viel mehr oder weniger Geld es auf der Welt gerade gibt. Kein Wunder also, dass einige, die ihren Lebensunterhalt mit Marktprognosen verdienen, die Geldmenge im Auge behalten wollen.

Wenn man jedoch genauer hinsieht, ist schwer zu erkennen, welche Kurve welchen andere(n) vorläuft. Auch scheint der Zusammenhang mit Einbeziehung der chinesischen Geldmenge tendenziell enger als ohne sie. Das ist seltsam, denn der MSCI World enthält keine chinesischen Aktien. Außerdem setzt China stark auf Kapitalverkehrskontrollen, die in den letzten Jahren aufgrund von Reisebeschränkungen im Zusammenhang mit Covid wahrscheinlich noch schwerer als davor zu umgehen waren2). Um die schrumpfende Geldmenge im Rest der Welt jetzt auszugleichen, wären riesige Mengen chinesischer Touristen erforderlich, die ihre Bargeldersparnisse über die Grenzen hinweg veranlagen.

Die Preisentwicklung globaler Aktien scheinen sich parallel zur globalen Geldmenge zu bewegen – na und?

Kurzum, es ist einfach, Korrelationen zu finden, die in der Vergangenheit gut „funktioniert“ haben. Besonders bei etwas wie der globalen Geldmenge, bei der man unter vielen Kandidaten auswählen kann, welche Kennzahl für den betrachteten Zeitraum am besten zu passen scheint. Es ist jedoch unklug, sich auf sie zu verlassen, ohne ein klares Verständnis der kausalen Mechanismen und Einschätzungen darüber, wie und warum sie in Zukunft bestehen bleiben oder nicht.

„Dennoch haben wir uns für unsere Inflationsprognosen für mehrere große Volkswirtschaften immer sehr genau mit Geldaggregaten befasst, auch als das völlig unmodern war“, erklärt Johannes Müller, Head of Macro Research der DWS. „Dies lieferte wertvolle frühe Hinweise darauf, dass sich die Inflation als weniger vorübergehend als allgemein erwartet erweisen könnte.“ Wie ein aktuelles Papier von Mitarbeitern der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zeigt, verzeichneten Länder mit einem stärkeren Geldmengenwachstum in den letzten Jahren auch eine deutlich höhere Inflation3).

Dies bestätigt unsere langjährige Überzeugung, dass ein sorgfältiger Umgang mit monetären Aggregaten in Inflationsprognosen zuweilen die Genauigkeit erhöhen kann. Genau das unterstreicht jedoch auch, warum man die Märkte besser nicht mit „Geld“ allein erklären sollte. An den globalen Aktienmärkten ist aus unserer Sicht nun viel an Verbesserungen der Fundamentaldaten bereits in den Kursen enthalten, nicht zuletzt ein relativ rasches Absinken der Inflationsraten. Aber ob es wirklich dazu kommt, muss sich erst erweisen, auch mit Blick auf globale Geldmengenaggregate.

1) In den letzten Jahrzehnten ist „Geld“ in weiten Teilen der Welt aus der Gestaltung und Umsetzung der Geldpolitik verschwunden, die sich stattdessen hauptsächlich auf Zinssätze stützte, um die Inflationserwartungen zu steuern. Teilweise lag das daran, dass sich die einheitliche Definition und Messung unterschiedlicher monetärer Aggregate in allen Volkswirtschaften und im Laufe der Zeit als ziemlich schwierig herausstellte. Ein weiteres Problem war, dass das Wachstum der Geldmenge zeitweise weitgehend endogen sein kann, d. h. von den Entscheidungen der Haushalte und Unternehmen im Privatsektor als Reaktion auf realwirtschaftliche Schocks angetrieben wird, und nicht von irgendetwas, was die Zentralbank tut. Beispielsweise neigen Unternehmen dazu, stark auf bereits bestehende Kreditlinien zurückzugreifen, was die Geldmenge erhöht, solange die Geschäftsbanken noch über überschüssige Reserven verfügen. Zu den Hintergründen der historischen Entwicklungen s. folgenden entzückend betitelten Überblick: Laidler, D (2002): “Monetary policy without money: Hamlet without the ghost”, in Leeson, R. (ed), “Macroeconomics, monetary policy and financial stability: Essays in honour of Charles Freedman”, Bank of Canada, pp 111–34. Verfügbar unter: Monetary Policy without Money: Hamlet without the Ghost* (uwo.ca)
2) Why more Chinese tourism means more capital flight | The Economist
3) Does money growth help explain the recent inflation surge? (bis.org)

 

Veröffentlicht am: 25.02.2023

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