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Donnerstag, 28. März 2024
   
 

Arbeitszeit pro Beschäftigungsverhältnis in Österreich im Sinkflug

Eine UniCredit Bank Austria Analyse


„Die Arbeitszeit pro Beschäftigungsverhältnis ist in Österreich seit 1995 um rund 14 Prozent gesunken. Eine deutlich gestiegene Produktivität und die Zunahme der Anzahl der Beschäftigten haben seitdem dennoch einen Anstieg der Wertschöpfung um real rund 60 Prozent ermöglicht“, meint UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer und ergänzt: „Der Rückgang der eingesetzten Arbeitszeit pro Beschäftigter: Beschäftigtem wird sich in den kommenden Jahren voraussichtlich fortsetzen. Der gesellschaftliche und demografische Wandel wird zu einer großen Herausforderung für die Erhaltung des Wohlstands in Österreich.“

Arbeitszeit pro Beschäftigtenverhältnis sinkt seit langem, beschleunigt seit Corona

Zu Jahresmitte 2022 hat die Beschäftigung in Österreich einen neuen Rekordstand erreicht. Insgesamt bestanden rund 4,2 Millionen Beschäftigungsverhältnisse. Das entspricht einem Plus von 1,1 Millionen seit dem Jahr 1995. Die Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse ist somit im Durchschnitt um knapp über ein Prozent pro Jahr gestiegen.

Trotz der Rekordbeschäftigung werden die Klagen der Unternehmen über ein enger werdendes Angebot am Arbeitsmarkt lauter. Die Anzahl der Arbeitssuchenden inklusive Schulungsteilnehmer:innen ist im Herbst 2022 auf rund 250.000 gesunken und weit über 100.000 freie Stellen können derzeit nicht besetzt werden. Mit 2,0 ist die Stellenandrangziffer mit Abstand auf dem niedrigsten Stand der vergangenen drei Jahrzehnte.

„Angesichts des Rekords an Beschäftigungsverhältnissen liegt auch das Arbeitszeitvolumen in Österreich mit saisonbereinigt fast 1,5 Milliarden Stunden im  zweiten Quartal 2022 auf einem Allzeithoch. Allerdings ist das Arbeitszeitvolumen seit 1995 ‚nur‘ um rund 18 Prozent gestiegen, während die Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse um 35 Prozent zugenommen hat“, meint UniCredit Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl. Die Auseinanderentwicklung der beiden Zeitreihen hat sich seit der Pandemie noch verstärkt. Die Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse liegt aktuell um rund 2,5 Prozent höher als im Jahr 2019, das Arbeitszeitvolumen hat dagegen leicht abgenommen.

Mit saisonbereinigten rund 360 Stunden pro Beschäftigtenverhältnis ist die durchschnittliche Arbeitszeit pro Beschäftigungsverhältnis im zweiten Quartal 2022 um über 50 Stunden geringer als im Jahresdurchschnitt 1995. Das entspricht einem Rückgang der durchschnittlichen Arbeitszeit um rund 14 Prozent. Während in den ersten zehn Jahren – nach anfänglichen Zuwächsen – der Rückgang der Arbeitszeit pro Beschäftigungsverhältnis relativ überschaubar blieb, steigerte sich das Tempo deutlich ab dem Jahr 2005 und erhöhte sich aktuell im Vergleich zur Vor-Pandemiezeit nochmals. Allein seit dem Jahr 2019 kam es zu einem Rückgang der Arbeitszeit pro Beschäftigungsverhältnis um 10 Stunden im Quartal bzw. 3 Prozent.

„Seit 1995 hat sich die wöchentliche Arbeitszeit pro Beschäftigtenverhältnis von rund 32 auf 27 Stunden verringert und das Tempo des Rückgangs nimmt zu. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit liegt aktuell um fast eine Stunde niedriger als vor Ausbruch der Pandemie. Der von den heimischen Unternehmen beklagte Mangel an Arbeitskräften scheint somit auch durch einen Mangel an zur Verfügung gestellter Arbeitszeit durch das Arbeitsangebot hervorgerufen zu werden“, meint Pudschedl.

Starke Unterschiede in den einzelnen Branchen

Zu überdurchschnittlich hohen Rückgängen der Arbeitszeit pro Beschäftigungsverhältnis kam es seit 1995 in der Land- und Forstwirtschaft und in der Gruppe öffentliche Verwaltung, Erziehung, Gesundheits- und Sozialwesen sowie vor allem bei den sonstigen Dienstleistungen und im Bereich Handel, Verkehr, Beherbergung und Gastronomie. Während in der Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen und in der Herstellung von Waren jeweils nur ein relativ geringer Arbeitszeitrückgang pro Beschäftigungsverhältnis von rund 15 Stunden im Quartal vorliegt, blieb einzig in der Bauwirtschaft die Arbeitszeit im Vergleich zu 1995 konstant.

Im Vergleich zu 2019, also vor Ausbruch der Pandemie, hat die starke wirtschaftliche Erholungsphase aus der Pandemie neben der Bauwirtschaft auch bei der Herstellung von Waren zu einem Anstieg der Arbeitszeit pro Beschäftigungsverhältnis geführt. Mit rund 9 Stunden im Quartal bzw. über 2 Prozent gab es am Bau innerhalb dieses relativ kurzen Zeitraums den stärksten Anstieg.

Produktivität stark gestiegen

„Der sinkenden Arbeitszeit pro Beschäftigungsverhältnis steht jedoch ein deutlicher Anstieg der Produktivität gegenüber. Im Durchschnitt ist ein Beschäftigter seit 1995 um etwa ein Drittel produktiver geworden“, so Pudschedl. Die Bruttowertschöpfung pro geleisteter Arbeitsstunde verdoppelte sich von knapp über 30 Euro im Jahr 1995 auf aktuell über 60 Euro. Das entspricht inflationsbereinigt einem Anstieg seit 1995 um über 35 Prozent.

„Überdurchschnittlich starke Produktivitätsverbesserungen konnten erwartungsgemäß in der Industrie erzielt werden. Bei der Herstellung von Waren verdoppelte sich der Output pro Arbeitsstunde beinahe. In den Dienstleistungsbereichen konnte die Produktivitätsentwicklung dagegen nicht mit jener im Produktionssektor mithalten“, meint Pudschedl.

Eine Ausnahme zeigt sich in der Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, in der sich sogar etwas mehr als eine Verdoppelung der Produktivität seit 1995 ergab. Während im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), dem Immobiliensektor und in der Beherbergung und Gastronomie leicht unterdurchschnittliche Produktivitätsfortschritte erzielt wurden, kam es in anderen Dienstleistungsbereichen, wie z.B. bei den Wirtschaftsdiensten kaum zu Verbesserungen und bei den sonstigen Dienstleistungen sogar zu einer Verringerung der Arbeitsproduktivität. Die Bruttowertschöpfung pro Arbeitsstunde sank hier seit 1995 um rund 2 Prozent.

Anstieg der Wertschöpfung durch Arbeitszeitreduktion um rund 12 Prozent gebremst


Die Erhöhung der Produktivität hat einen großen Anteil am Anstieg der reale Bruttowertschöpfung in Österreich seit 1995 um fast 60 Prozent. Die Erhöhung der Produktivität allein sorgte für eine um über 35 Prozentpunkte höhere reale Bruttowertschöpfung. Die Zunahme der Beschäftigungsverhältnisse um 1,1 Millionen ermöglichte für sich allein einen Anstieg der realen Bruttowertschöpfung in etwa gleich starkem Ausmaß wie die Produktivitätsverbesserung.

„Während die Produktivitätsgewinne und die gestiegene Anzahl an Beschäftigten etwa zu gleichen Teilen für den Anstieg der Wertschöpfung seit 1995 um rund 60 Prozent verantwortlich sind, hat die Verringerung der durchschnittlichen Arbeitszeit pro Beschäftiger:Beschäftigtem den Anstieg gebremst. Bei unverändertem Arbeitszeiteinsatz wäre die reale Bruttowertschöpfung in Österreich um über 12 Prozentpunkte höher als 1995“, so Pudschedl.

Die durchschnittliche Arbeitszeit sank im Zeitraum zwischen 1995 und 2022 um rund 5 Stunden pro Woche. Wäre der Rückgang auf rund 4 Stunden pro Woche beschränkt geblieben, würde rein rechnerisch der Arbeitszeitbedarf durch die aktuell gemeldeten offenen Stellen in der österreichischen Wirtschaft von knapp über 100.000 Stellen durch diese Mehrarbeit von rund einer Stunde pro Woche pro Beschäftigungsverhältnis vollständig abgedeckt werden können. Das entspräche genau jener Arbeitsstunde, die seit der Pandemie „verloren“ gegangen ist. Dabei handelt es sich lediglich um eine rein rechnerische Betrachtung, nicht berücksichtigt ist hier unter anderem die benötigte Qualifikation.

Herausforderungen durch gesellschaftlichen und demographischen Wandel steigen

Der Rückgang der verfügbaren Arbeitszeit pro Beschäftigungsverhältnis durch (arbeits-)rechtliche und gesellschaftspolitische Veränderungen (Stichwort: geringfügige Beschäftigung, Teilzeit, Work-Life-Balance etc.) wird sich voraussichtlich auch in den kommenden Jahren fortsetzten. Hinzu kommt eine demographische Entwicklung auf Österreich zu, die zumindest auf eine Abschwächung des Wachstums des Arbeitskräfteangebots hinweist.

„Der gesellschaftliche und demographische Wandel stellen Herausforderungen für den Wohlstand in Österreich dar. Verstärkte Anstrengungen zur Erhöhung der Beschäftigung, eine Verbesserung der Produktivität durch Innovationen sowie der Einsatz effizienterer Leistungserstellungsmethoden könnten dem entgegenwirken. Dies wird sich aber in vielen, vor allem kontaktorientierten Dienstleistungssparten, wie z.B. in der Beherbergung und Gastronomie oder im Gesundheitssektor, nur schwer ohne Qualitäts- bzw. Serviceeinbußen umsetzen lassen“, meint Bruckbauer abschließend. Gleichzeitig nimmt durch eine weitere Verringerung des zeitlichen Arbeitsangebots das Risiko von Wohlstandsverlusten bzw. deutlich abgeschwächten Wohlstandszuwächsen im Vergleich zur Vergangenheit zu.

 

Veröffentlicht am: 21.11.2022

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