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Unigestion-Marktanalyse: Eine gesunde Konsolidierung

Olivier Marciot, Senior-Portfoliomanager im Cross-Asset-Team beim schweizerischen Vermögensverwalter Unigestion

Nach dem sprunghaften Anstieg der Risikoanlagen im April, Mai und Anfang Juni legen die Finanzmärkte eine Atempause ein. Es stellt sich die Frage, ob sich die jüngste Erholung der Asset-Preise und Wirtschaftsdaten fortsetzen kann, oder ob der Optimismus zu extrem geworden ist.

Nach wie vor bestehen Unsicherheitsfaktoren, und die Mischung aus makroökonomischen Fundamentaldaten und Verhaltensfaktoren auf dem Markt muss aufmerksam beobachtet werden. Nach dem schweren Markteinbruch, der durch massive Liquidität und fiskalische Unterstützung behoben wurde, und der anschließenden Euphorie in der Hoffnung auf eine V-förmige Erholung, glauben wir, dass eine gesunde Konsolidierung vernünftig wäre und zu einer anhaltenden Erholung beitragen würde.

Fehlt uns etwas an der Makrofront?


In der aktuellen Phase der Erholung ist es wichtig, regelmäßig zu überprüfen, ob die Gründe für eine Übergewichtung von Growth-Assets weiterhin bestehen. Der erste dieser Gründe ist die Beständigkeit der makroökonomischen Situation: ist die Rezession nun überwunden?

Die Antwort auf diese Frage scheint uns nach wie vor klar: Das Schlimmste liegt hinter uns. Aus unseren Makroindikatoren erkennen wir, dass die Mehrheit der Daten weitere Anzeichen einer Erholung aufweist. In den USA steigen 74% der Daten, die unseren Growth Nowcaster ausmachen, an. In einem einzigen Monat ist unser US Growth Nowcaster um zwei Standardabweichungen gestiegen, was so schnell geschah wie sein Zusammenbruch zu Beginn der Krise. Wir sind nicht die Einzigen, die diese rasche US-Erholung feststellen: Die Nowcaster-Indikatoren der Atlanta Fed und der New York Fed klettern beide rasch aus ihrem jeweilige Tief. Letztere sahen einen nicht annualisierten Tiefpunkt bei -9% des BIP-Wachstums für das zweite Quartal, der sich nun wieder auf -5% korrigiert hat. Ersterer erreichte die Talsohle bei -13% und ist nun auf „nur“ -11% gestiegen.

Für die meisten Makromodelle war dies eindeutig eine schwierige Zeit. Daraus ziehen wir folgende Schlussfolgerung: Die Prognosen beginnen sich zu erholen, ein Zeichen dafür, dass die Lage nicht so schlimm ist, wie viele zunächst dachten. Zweitens: Dies betrifft nicht nur die USA, sondern auch andere Volkswirtschaften kommen aus der Talsohle. Australien und die Schweiz, beides kleine offene Volkswirtschaften, erholen sich. China hat seine Wachstumssituation nun fast vollständig normalisiert, trotz der Herausforderungen einer wahrscheinlichen zweiten Welle. Europa hinkt vorerst noch hinterher, aber die diese Woche veröffentlichten Daten der Europäischen Kommission sollten eine positive Botschaft zu den Wachstumsaussichten der Region vermitteln.

Wiederkehrende Wellen kleiner Lockdowns werden den Weg zur Normalisierung erschweren, ohne ihn jedoch ganz zu versperren. Dafür gibt es drei Gründe: Erstens bleiben die Reisemöglichkeiten eingeschränkt, wodurch die weltweite Ausbreitung des Virus begrenzt wird. Zweitens haben die Regierungen nun mehr Erfahrung im Umgang mit der Pandemie und sind besser ausgerüstet, um sie zu bewältigen. Und schließlich besteht angesichts des Umfangs der geld- und fiskalpolitischen Stimulierungsmaßnahmen die Chance, aus dieser Krise mit begrenzten wirtschaftlichen Schäden herauszukommen: Die Regierungen werden wohl mit allen Mitteln versuchen, einen weiteren groß angelegten Lockdown zu vermeiden. Unserer Meinung nach wird 2020 zwar kein Jahr des positiven BIP-Wachstums sein, aber der Schaden wird begrenzt bleiben.

In den kommenden Monaten erwarten wir eine Fortsetzung der gegenwärtigen Erholung, wenn auch mit Unterbrechungen wenn neue Wellen des Virus kommen und gehen. Die Überraschungsindizes in der G10-Welt steigen jetzt nach einer Periode der Stagnation wieder an, während sich die Daten mit höherer Frequenz wieder verbessern, wie unser Growth Newscaster anzeigt.

Eine vernünftige Pause?

Die Geschwindigkeit und das Ausmaß des Rückzugs werden in die Geschichte eingehen, ebenso wie das Tempo der Erholung. Die kurzfristige Dynamik bei wachstumsbezogenen Anlagen wie Aktien und Credits verzeichnete mehrere Standardabweichungen und erreichte am 8. Juni ihren Höhepunkt. Die Beschleunigung in der zweiten Phase der „Post-Covid"-Rallye weist Ähnlichkeiten mit dem „Post-2008" Marktverhalten auf: Auf einer rollierenden 30-Tage-Basis fielen die Aktienmärkte im Durchschnitt - 25% in den 30 Handelssitzungen bis zum 10. Oktober 2008, verglichen mit -29% am 12. März 2020 im gleichen Zeitraum. In ähnlicher Weise waren auch die Aufschwünge in Größe und Geschwindigkeit vergleichbar, mit zwei aufeinanderfolgenden Ausbrüchen in jedem Zeitraum: +19% am 27. März und +12% am 8. August 2009 gegenüber +17% am 10. April und +13% am 8. Juni dieses Jahres. Zwar ist die Ähnlichkeit frappierend, aber der aktuelle nichtsystemische, vorübergehende Charakter des Schocks und die rasche wirtschaftspolitische Unterstützung halfen, die Zeitspanne zwischen den beiden Beschleunigungen zu verkürzen.

Daher ist es nicht überraschend, dass die Marktstimmung nach derart starken Gewinnen kurzfristig nachlässt. Eine Atempause schadet nicht und schließt eine Fortsetzung der Rallye nicht aus. Mit Blick auf die Globale Finanzkrise fällt auf, dass die Risikobereitschaft und die damit verbundenen Marktgewinne für weitere sechs Monate, bis Februar 2010, hoch blieben.
 
Was sagen die anderen Anlagen aus?

Die Korrelationen waren seit Beginn des Schocks unbeständig, wobei sowohl bei den Abwärts- als auch bei den Aufwärtsschwankungen große Abweichungen von den historischen Beziehungen zwischen den Assetklassen zu verzeichnen waren. Um festzustellen, ob der Optimismus an der Wall Street zu stark von der Main Street abweicht oder nicht, ist ein genauerer Blick auf die anderen Risikoprämien von größter Bedeutung. Anleihen vermitteln das Gegenteil von dem, was Aktien vermitteln. Die 10-Jahres-Rendite in den USA liegt derzeit nur 12 Basispunkte über ihrem Allzeittief von 0,54%, das am 8. März dieses Jahres erreicht wurde, und dies trotz des massiven Finanzierungsbedarfs für die fiskalische Unterstützung. Dies ist offensichtlich auf den gigantischen Stimulus der Fed und die damit verbundene Bilanzerhöhung zurückzuführen, mit der ein heftiger Zinsschock verhindert werden soll, der die Erholung dämpfen und die Märkte in Turbulenzen stürzen könnte. Es deutet auch darauf hin, dass die Anleger noch nicht „all-in“ investiert sind.

Weiter oben auf der Risikokurve haben Credits ebenfalls eine ordentliche Anpassungsphase durchlaufen, wobei sich die Spreads über alle Segmente von ihren jüngsten extremen Tiefstständen ausgeweitet haben. Bei den Hochzinsanleihen gab es eine deutliche Verengung, wodurch sich die US-amerikanischen und europäischen Hochzins-CDS-Spreads nahe an ihren Fünfjahresdurchschnitt annäherten und dabei einen Teil ihrer Underperformance gegenüber Aktien wieder wettmachten. Die Konsolidierungsphase fand auch in dieser Anlageklasse statt, als sich die Spreads um 75 Basispunkte bei Euro-Hochzinsanleihen und 100 Basispunkte bei US-Hochzinsanleihen ausweiteten. Angesichts einer durchschnittlichen Verengung um 400 Basispunkte seit Anfang März zeigt diese jüngste Ausweitung, dass die Anleger sehr selektiv und vorsichtig ihren Optimismus hinsichtlich einer starken Erholung zum Ausdruck bringen. Unserer Ansicht nach ist dies ein deutliches Zeichen dafür, dass mittelfristig noch viel von der Rallye zu erwarten ist, auch wenn die Fahrt holpriger sein könnte als in den vergangenen Monaten.

Außerhalb der Anleihen ist die implizite Volatilität nach wie vor hoch, da der VIX-Index bei um die 33 gehandelt wird und bei den Aktienrallyes keine nennenswerten Rückgänge zu verzeichnen waren. Dies deutet darauf hin, dass direktionale Long Positionen bei Aktien mit Schutzkäufen einhergingen, um zusätzlich zum „Zentralbank-Put“ größere Drawdowns abzufedern. Bei den Rohstoffen zeichnet sich ein interessantes Bild mit breiten Streuungen ab. Gold hat weiterhin beträchtliche Kapitalzuflüsse verzeichnet, die das gelbe Metall durch spekulative und physische Nachfrage auf Mehrjahreshöchststände getrieben haben. Der Ölpreis hat sich bei um die 40 US-Dollar pro Barrel konsolidiert, nachdem große Angebotskürzungen vorgenommen wurden, die kurzfristig Unterstützung bieten, in der Hoffnung, dass die Nachfrage mit der Wiedereröffnung der Volkswirtschaften anziehen wird. Die Industriemetalle haben insgesamt seit ihren Tiefstständen einen stetigen Aufwärtstrend verzeichnet, was auf die durch die Lockdowns verursachten großen Unterbrechungen zurückzuführen ist. Da vor allem in Lateinamerika Minen und Schmelzen geschlossen waren, kam es zu Unsicherheiten auf der Angebotsseite.

Mittelfristig immer noch konstruktiv

Wie oben erörtert, sind wir nach wie vor der Ansicht, dass die rasche Verbesserung der makroökonomischen Fundamentaldaten anhalten wird und dass die Growth-Assets weiterhin zulegen werden, auch wenn sich das Tempo des Aufschwungs verlangsamen wird. Folglich bevorzugen wir Aktien und Credits, die vom derzeitigen Preis- und Bewertungsniveau aus mittelfristig attraktive Ertragsaussichten bieten. Wir glauben jedoch auch, dass die Risiken einer Abwärtsüberraschung in jüngster Zeit aufgrund eines Wiederauflebens der Covid-Fälle und lokaler Lockdowns gestiegen sind. Wir haben daher beschlossen, den Schutz in unseren Strategien zu erhöhen, um eine unerwartete, größere Korrektur abfedern zu können.

 

Veröffentlicht am: 01.07.2020

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