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Freitag, 29. März 2024
   
 

Endlich Europa?

... von Enguerrand Artaz, Fondsmanager, La Financière de l‘Échiquier

„Gestern standen wir noch am Abgrund. Heute sind wir schon einen Schritt weiter.“ Diese bekannte Stilblüte, die dem verstorbenen ivorischen Staatspräsidenten Félix Houphouët-Boigny zugeschrieben wird, hätte lange als Leitspruch der Europäischen Union dienen können, angesichts ihrer zahlreichen Bürden, darunter den Mangel an Zusammenhalt, ihre Irrungen und Fehler. Nun hat es jedoch den Anschein, als wäre Europa kurz davor, einen Schritt auf die andere Seite der durch die Covid-19-Krise entstandenen Kluft zu tätigen.
 
Die Initiative dazu hat das Tandem Deutschland-Frankreich ergriffen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Staatspräsident Emmanuel Macron haben einen europäischen Wiederaufbauplan mit einem Umfang von 500 Milliarden Euro angekündigt. Diese Zahl mag moderat erscheinen, aber darin enthalten sind weder der potenzielle Hebeleffekt noch etwaige europäische Kofinanzierungen. Die wesentliche Stärke dieses Plans liegt weniger in seinem Betrag als in seinem Mechanismus.

Der Vorschlag sieht vor, den Haushalt der Europäischen Union zwischen 2021 und 2023 auf zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) zu erhöhen (von derzeit 1,16 Prozent), und das ohne zusätzliche Beiträge der Mitgliedstaaten. Dies entspräche einem jährlichen Anstieg von 165 Milliarden Euro. Der Zusatzhaushalt soll durch die Emission gemeinschaftlicher Schuldtitel unmittelbar von der EU finanziert werden. Die Wörter „Euro-“ oder „Corona-Bonds“ wurden nicht ausgesprochen, aber man kommt diesen im Grundsatz sehr nahe. Im Übrigen würde dieser neue budgetäre Spielraum von der EU teilweise dazu genutzt, Ausgaben zugunsten bestimmter Länder zu tätigen, was den Anstieg der Staatsverschuldung der Begünstigten begrenzen würde. Die begebenen Schuldtitel sollen dann durch die zukünftigen Beiträge der Mitgliedstaaten zum Haushalt zurückgezahlt werden, die unabhängig vom Umfang der Hilfen, die die Staaten im Rahmen des Plans erhalten haben, wären.

Die Botschaft ist klar: Es geht darum, einen echten europäischen Solidaritätsmechanismus zu schaffen, der weit über die Unterschiede bei den Beiträgen zum Haushalt der Europäischen Union hinausgeht. Eine Botschaft, die von den Märkten deutlich vernommen wurde, wie am Anstieg der Aktienindizes um mehr als vier Prozent nach der Pressekonferenz zu erkennen war. Zugleich gingen die Zinsen auf Staatsanleihen der Peripherieländer deutlich zurück – bei 10-jährigen italienischen Staatsanleihen zum Beispiel von 1,86 Prozent auf 1,67 Prozent. Eine gewisse Vorsicht bleibt jedoch geboten. Dies erklärt zum Teil, warum die Anleger in den darauffolgenden Tagen etwas weniger optimistisch waren. Bei einigen Ländern – insbesondere Österreich, den Niederlanden, Schweden und Dänemark – sorgte der Vorschlag für wenig Begeisterung, und die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, sprach ohne Enthusiasmus nur von einer „konstruktiven“ Initiative.

Es ist also noch nichts entschieden. Der von Angela Merkel und Emmanuel Macron vorgeschlagene Plan klingt jedoch vielversprechend. Die Tatsache, dass er sich auf das wieder vereinte deutsch-französische Tandem stützt und den Kurswechsel Berlins in Sachen Haushaltsdisziplin und europäische Solidarität deutlich macht, ist ein starkes Signal. An den Börsen würde eine Einigung über diesen Vorschlag die europäische Risikoprämie verringern und könnte den europäischen Aktienmärkten ermöglichen, ihren Rückstand gegenüber ihren amerikanischen Pendants aufzuholen (+5,4 Prozent für den EuroStoxx 50 gegenüber +14,4 Prozent für den S&P 500 seit dem 31. März). Zudem böte dies eine gemeinschaftliche Versicherung zugunsten der anfälligsten EU-Mitgliedstaaten und somit einen Rückgang der Zinsen der Peripherieländer.

Das Thema ist von wesentlicher Bedeutung und die Entwicklungen müssen sehr genau verfolgt werden. Der erste Stichtag in diesem Zusammenhang ist der 27. Mai. Frau von der Leyen muss an diesem Tag einen Haushaltsvorschlag für die Jahre 2021 bis 2027 vorlegen, der ihre Vorstellung von einem europäischen Wiederaufbauplan widerspiegelt. Danach obliegt es Charles Michel, dem Präsidenten des Europäischen Rates, die verschiedenen Vorschläge zusammenzufassen.

 

Veröffentlicht am: 27.05.2020

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