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Freitag, 29. März 2024
   
 

Meine Sorge gilt den Anleihen in Fremdwährung und in erster Linie in den Frontier Markets

Interview mit Yasmine Ravai, Senior Portfolio Manager bei Eurizon SLJ

Weder die Neuorganisation der Zulieferketten nach den Lockdowns noch eine zunehmende Polarisierung zwischen den USA und China müssten sich katastrophal auf die Weltwirtschaft auswirken, sagt Yasmine Ravaï, Portfoliomanagerin für Schwellenländer-Anleihen bei Eurizon SLJ Capital in London.

Dessen ungeachtet habe die Pandemie das Ausfallrisiko von Schuldnern aus den Schwellenländern natürlich erhöht, besonders unsicher seien die Aussichten etwa für Argentinien, Ecuador, Angola, Sambia und Sri Lanka. Positiv ist sie indes für China, Malaysia und Indonesien gestimmt. Insgesamt zeigten die Märkte für Anleihen in Landeswährung dank der aggressiven Maßnahmen der Zentralbanken Anzeichen einer Stabilisierung, während mit Blick auf Schuldtitel in Fremdwährung weiter Vorsicht geboten sei.

Yasmine, nach der Coronavirus-Krise werden wahrscheinlich viele Unternehmen aus der entwickelten Welt ihre Zulieferketten reorganisieren und vor allem die Fertigung als kritisch betrachteter Güter teils oder ganz wieder in die Heimatländer zurückholen. Wie stark wird eine solche Entwicklung die Schwellenländer-Ökonomien betreffen, die vor der Corona-Viruskrise die Rolle einer billigen Werkbank für die Welt gespielt haben?
Yasmine Ravaï:
Der Globalisierungsprozess, der vor mindestens 30 Jahren mit der Schaffung der NAFTA, der EU-Integration und der Aufnahme Chinas in die Welthandelsorganisation im Jahr 2001 begann, hatte seinen „Höhepunkt“ schon lange vor der Coronavirus-Krise erreicht. Der Grund dafür war, dass die ungebremste Globalisierung zu zahlreichen wirtschaftlichen, finanziellen, sozialen und politischen Ungleichgewichten geführt hatte, weshalb Volkswirtschaften wie die der USA, Japans, Deutschlands, Südkoreas, Italiens und vieler anderer Länder ein zunehmendes „Insourcing“ betrieben – mindestens seit dem Jahr 2012, wahrscheinlich sogar schon seit der großen Finanzkrise. Doch bis zur Coronavirus-Krise hatten sich die Weltwirtschaft im Allgemeinen und die Schwellenländer im Besonderen recht gut an diesen sich ständig verändernden globalen Markt angepasst. Dies lässt uns vergleichsweise optimistisch bleiben, auch wenn wir eine Beschleunigung dieses Trends feststellen können.

Wie sieht das für China aus?
Yasmine Ravaï:
Da die chinesische Volkswirtschaft am meisten Kapital aus dem jahrzehntelangen Globalisierungstrend geschlagen hat, wird sie in einem Worst-Case-Szenario auch vor den größten Herausforderungen stehen. Wie gehen aber davon aus, dass China und andere asiatische Volkswirtschaften, die vergleichsweise technologielastig sind und keine Rohstoffe exportieren, eher widerstandsfähiger aus der Coronavirus-Krise hervorgehen werden. Selbst eine Beschleunigung der Repatriierung des verarbeitenden Gewerbes oder gar eine weitere Polarisierung zwischen den USA und China muss unserer Ansicht nach keine Katastrophe für die Weltwirtschaft sein. China verfügt über eine riesige und immer noch schnell wachsende Volkswirtschaft mit einem gewaltigen Binnenmarkt sowie einem äußerst wettbewerbsfähigen verarbeitenden Gewerbe und Dienstleistungssektor. Genau wie Android und iOS können ein starkes China und starke USA gleichzeitig und wettbewerbsfähig gedeihen. Unter dem Strich sind wir der Meinung, dass die allgemeine Verfassung der Volkswirtschaften der USA und Chinas von größerer Bedeutung für die Schwellenländer ist als eine Beschleunigung des De-Globalisierungstrends.

Während die entwickelten Länder beispiellose große Rettungspakete zur Eindämmung der Folgen der Coronavirus-Pandemie geschnürt haben, ist die Feuerkraft der Regierungen vieler Schwellenländer aufgrund der schon hohen Verschuldung vor der Krise beschränkt. Ein Ausweg wäre dem Beispiel von Federal Reserve und Europäischer Zentralbank zu folgen und groß angelegte Kaufprogramme für Anleihen zu starten. Halten Sie das für eine gute Idee und welche Zentralbanken in den Schwellenländern verfügen über entsprechende Mandate?
Yasmine Ravaï:
Die sich rapide verschlechternde Risikotoleranz hat bereits einige Zentralbanken in den Schwellenländern dazu veranlasst, mit direkten Käufen von Anleihen zu beginnen. Diese zielen aber in erster Linie auf die Bereitstellung von Liquidität und die Stabilisierung des Finanzsystems ab und nicht auf eine tatsächlich quantitative Lockerung der Geldpolitik. Auf dieses neue Experiment eingelassen haben sich Kolumbien, Chile, Tschechien, Polen, Ungarn, Rumänien, Israel, Indonesien, die Philippinen und Südafrika. Brasilien könnte dem Club bald beitreten, muss aber noch auf die Zustimmung des Senats warten, da die Zentralbank kein solches Mandat hat. Generell unterscheiden sich die Details – wie das Volumen, die Dauer und die Art der erworbenen Vermögenswerte – von Land zu Land. Diese Programme waren zwar erfolgreich und haben die Liquidität an den Anleihenmärkten verbessert, sie bergen aber auch Risiken, die beobachtet werden sollten. Dazu gehören steigende Inflation – im Moment ein zugegebenermaßen wohl weit entferntes Risiko – und eine schwächere Währung, was vor allem für Länder mit einer niedrigen fiskalischen Dynamik gilt. Insgesamt scheint der Umfang der Operationen angemessen zu sein, um die fiskalische Disziplin wahren zu können.

Sie haben die Risikotoleranz erwähnt, die sich rapide verschlechtert hat. Vor diesem Hintergrund haben viele Investoren ihre Mittel aus den Schwellenländern abgezogen und in „sichere Häfen“ umgeschichtet – zu einer Zeit, in der die Regierungen dort aber dringend Geld für ihre aufgrund von Rettungspaketen gestiegenen Ausgaben benötigen würden. Wird das zu Zahlungsausfällen führen?
Yasmine Ravaï:
Angesichts der Stärke des wirtschaftlichen Schocks sind Restrukturierungen von Schulden und Zahlungsausfälle nicht auszuschließen. Die Coronavirus-Pandemie hat dazu geführt, dass die Renditeaufschläge für Staatsanleihen aus den Schwellenländern auf ein seit der großen Finanzkrise nicht mehr erreichtes Niveau gestiegen sind. Darin spiegelt sich die wachsende Sorge hinsichtlich der Fähigkeit zur Rückzahlung von Verbindlichkeiten wegen des fehlenden Marktzugangs wider. Und tatsächlich dürfte die Kombination aus niedrigeren Rohstoffpreisen und der Beeinträchtigung des Wirtschaftswachstums durch sinkende Exporte die Haushalte unter Druck setzen. Die Sorge gilt dabei vor allem für die Schulden in Fremdwährung und in erster Linie für die Frontier Markets, wo die Zahl der Emittenten von Anleihen in Fremdwährungen erheblich zugenommen hat. Und noch ein anderer Grund dürfte die Bereitschaft zur Rückzahlung von Verbindlichkeiten deutlich sinken lassen: der wohl zunehmende Druck auf die Regierungen, den Ausgaben für das heimische Gesundheitssystem Vorrang einzuräumen, um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Ausbruchs des Coronavirus abzufedern. Ein Beispiel dafür aus jüngster Zeit ist Ecuador, wo die Führer der politischen Parteien im Kongress eine zeitweise Aussetzung der Rückzahlung der Auslandsschulden gefordert haben. Die Regierung kündigte schließlich einen Aufschub der Zinszahlungen für Anleihen an, um mehr Mittel für das Gesundheitssystem bereitstellen zu können. Diese Sorgen gelten für die Schulden der Schwellenländer in Lokalwährungen hingegen nicht.

Welche Länder werden Ihrer Ansicht nach als erste ausfallen? Vielleicht Südafrika, das erst unlängst von Moody’s, der letzten Rating-Agentur, die das Land noch mit Investment-Grade-Bonität bewertet hatte, auf Junk-Status abgestuft wurde?
Yasmine Ravaï:
Argentinien, aber auch der Libanon und Ecuador haben ja bereits Umschuldungsprozesse eingeleitet. Unter den afrikanischen Ländern befinden sich Angola und Sambia in einer schwierigen Lage. Ein hohes Risiko besteht für Sri Lanka, dessen Finanzen aufgrund niedrigerer Einnahmen aus dem Tourismus und hoher Zinszahlungen im laufenden Jahr unter großem Druck stehen. Für die größeren Schwellenländer mit begrenztem fiskalischen Spielraum wie Südafrika und Brasilien ist das Risiko eines Staatsbankrotts angesichts der vergleichsweise hohen Devisenreserven, der geringeren Abhängigkeit von Fremdwährungskrediten und der verbesserten politischen Rahmenbedingungen gering. Beide Länder müssen sich jedoch auf Schlüsselreformen konzentrieren – in Südafrika etwa das Einfrieren der Löhne für den öffentlichen Dienst, in Brasilien eine Rentenreform.

Wie haben Sie als Portfoliomanagerin auf die Coronavirus-Krise reagiert?
Yasmine Ravaï:
Angesichts des weltweit zurückgegangenen Appetits der Anleger auf Risiken in den Schwellenländern haben wir die Duration des Portfolios reduziert. Trotz dieser Anpassungen haben wir eine leichte Übergewichtung von globaler Duration beibehalten, da wir erwarten, dass auch die Zentralbanken der Schwellenländer nach den gestiegenen wirtschaftlichen Risiken durch die Ausbreitung des Coronavirus ihre akkommodierende Geldpolitik beibehalten werden. Wir sind vor allem in Asien übergewichtet, konkret in China, Malaysia und Indonesien, wo wir zusätzliche geldpolitische Unterstützung erwarten. Wir halten an Mexiko, Russland und Südafrika fest, wo die Erwartungen für eine weitere Lockerung der Geldpolitik ebenfalls hoch bleiben. Wir haben auch eine kleinere Position an US-Staatsanleihen aufgebaut, um Risiken aus der ungewissen Entwicklung der Coronavirus-Pandemie abzusichern. Unsere Positionen an Fremdwährungsanleihen hatten wir angesichts des erreichten Bewertungsniveaus bereits Ende Januar liquidiert und sind seitdem aufgrund der verschlechterten Finanzierungsbedingungen und der verringerten Rückzahlungsspielräume an der Seitenlinie geblieben. Mit Blick auf die Währungen haben wir vor allem Positionen an lateinamerikanischen Währungen abgebaut, da diese sehr empfindlich auf Entwicklungen von Welthandel und Rohstoffpreisen reagieren. Besonders vorsichtig sind wir unverändert mit Blick auf den südafrikanischen Rand und die türkische Lira, die in der näheren Zukunft weiter unter Druck bleiben sollten.

Was glauben Sie – haben die Märkte für Schwellenländer-Anleihen in Fremd- und Landeswährung die Tiefs schon hinter sich?
Yasmine Ravaï:
Angesichts des beispiellosen Charakters dieser Krise könnte der vor uns liegende Weg holprig sein. Der Dollar gewinnt weiter an Wert, und die Daten aus den USA und China sind unverändert sehr schwach. Der Ölpreis hat trotz vergleichsweise günstigen Schlagzeilen weiter zu kämpfen. Unterdessen erscheinen die Bewertungen jedoch attraktiv zu sein. Die Märkte für Anleihen in Landeswährung zeigen dank der aggressiven Maßnahmen der Zentralbanken Anzeichen einer Stabilisierung, während sich die Währungen der Schwellenländer uneinheitlich zeigen. Ich würde in Bezug auf die Fremdwährungsanleihen daher sehr vorsichtig bleiben und mit Blick auf Schuldtitel in Landeswährung empfehlen, sich durch aktive Fonds schrittweise in den lokalen Märkten zu engagieren, da Differenzierung und aktives Währungsmanagement unter den gegenwärtigen Umständen von entscheidender Bedeutung sind.
 


Yasmine Ravai ist seit Februar 2017 Senior Portfolio Manager bei Eurizon SLJ in London und betreut Emerging Market Fixed Income- und FX Funds. Zuvor war sie für Amundi tätig, wo sie die Position des Head of Global Fixed Income/Emerging Markets Funds innehatte. Yasmine studierte an der Dauphine University, Paris, wo sie ihren Abschluss in Angewandter Wirtschaft und Finanzen machte, und erwarb ihren Master-Abschluss im Finanzwesen.

 

Veröffentlicht am: 19.05.2020

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