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Donnerstag, 28. März 2024
   
 

„Angst und Schrecken“

Marktanalyse von Olivier de Berranger, CIO bei LFDE - La Financière de l’Échiquier

In einer Welt, die sich kaum von der unseren unterscheidet, hätte eine Woche, die von der Sitzung der wichtigsten Zentralbank der Welt – der Fed –, von den unglaublichen Veröffentlichungen der größten Unternehmen weltweit – Apple, Amazon, Microsoft – und von dem Austritt eines wichtigen Landes aus der Europäischen Union geprägt war, Gelegenheit geboten, sich grundsätzliche Gedanken über den Zustand der Wirtschaft zu machen. Einige hundert Opfer einer neuen Form der Grippe in einem Land mit mehr als einer Milliarde Einwohnern hätten keine große Aufmerksamkeit erregt.

In unserer Welt jedoch, in der die Erinnerung an den SARS-Ausbruch (Severe Acute Respiratory Syndrome) von 2003 immer noch lebendig ist, treten die Ängste vor einer Ansteckung mit der chinesischen Epidemie und ihren möglichen wirtschaftlichen Folgen in den Vordergrund. Das ist verständlich. Einerseits löst das Auftreten eines neuen Virus Todesangst aus und im kollektiven Unterbewusstsein kommt die Erinnerung an frühere Pestepidemien in konfusen Bildern wieder hoch, die uns durch Gemälde in unseren Kirchen immer wieder vor Augen gehalten werden.

Andererseits sind die objektiven Folgen für die Weltwirtschaft schwerwiegend. Die Anzahl der Opfer ist statistisch gesehen im Vergleich zur normalen Grippe, der weltweit rund 500.000 Patienten pro Jahr zum Opfer fallen, zugegebenermaßen gering. Dazu kommen noch die Patienten, die an Malaria (gleiche Größenordnung), Krebs (10 Millionen Menschen pro Jahr) oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen (17 Millionen Menschen pro Jahr) versterben. Aber die Maßnahmen, die ergriffen werden, um die chinesische Epidemie in den Griff zu bekommen, sind ungewöhnlich: Mehr als 50 Millionen Menschen wurden unter Quarantäne gestellt und sind angehalten, zu Hause zu bleiben, der internationale öffentliche Verkehr wurde teilweise unterbrochen, die Produktion wurde ausgesetzt und der Konsumgütersektor versinkt im Chaos. Falls die Epidemie anhält, könnten noch mehr chinesische Regionen stillgelegt werden, und vielleicht sogar andere Regionen der Welt.

Wir wagen es nicht, eine Vorhersage über das Ausmaß der Epidemie zu treffen. Aber schon jetzt sind gewisse Folgen für die Weltwirtschaft spürbar. Sie könnten im schlimmsten Fall sehr weitreichend sein: die Luxusgüterindustrie, der stark vom chinesischen Konsum abhängig ist, wäre betroffen, ebenso wie der Tourismus. Die chinesische Industrieproduktion, insbesondere die Automobilbranche, wäre ebenfalls betroffen, was zur Schwächung eines Sektors beitragen würde, der ohnehin schon unter Druck steht. Lokal würden Bauaktivitäten und der Energieverbrauch zurückgehen, was einen Rückgang der weltweiten Rohstoffpreise zur Folge haben könnte. Indirekt könnte dies auch die weltweite Inflation belasten.

„Wenn China sich erkältet, hustet der Rest der Welt.“

Dieser letzte Aspekt, der selten genannt wird, ist vielleicht der wichtigste, da er die Haltung der Zentralbanken beeinflussen könnte - in erster Linie der chinesischen und, wenn die Folgen tiefgreifend sind, sogar derjenigen der ganzen Welt. Denn im Gegensatz zu den Zeiten des SARS-Syndroms leistet China heute einen Beitrag zum weltweiten Wachstum in Höhe von 35 Prozent (20 Prozent im Jahr 2003).

Das weltweite Wachstum, das auf drei Prozent geschätzt wird und damit unter seinem historischen Durchschnitt liegt, könnte im Jahresverlauf um ein halbes Prozent zurückgehen. Die Kerninflation, die ohnehin schon geschwächt ist, würde darunter leiden. Um diesem Trend entgegenzuwirken, könnten die Zentralbanken neue geldpolitische Anreizmaßnahmen ergreifen und auf Haushaltsmaßnahmen Einfluss nehmen.

In diesem Fall könnte sich der derzeitige Rückgang der Märkte, der vor allem auf einem instinktiven Reflex beruht, zunächst zusätzlich verstärken, bevor sich die Märkte anschließend wieder deutlich erholen, da die Zentralbanken derzeit das Geschehen bestimmen. Aktuell sind sie jedoch noch äußerst zurückhaltend. Die Fed hatte dieses Risiko, das sie zwar als „ernst“ erachtet, lediglich in ihrer Pressekonferenz erwähnt, nicht aber in ihrer offiziellen Mitteilung.

Die Märkte warten also erneut gespannt auf die nächsten Äußerungen der Zentralbanken. Ihnen kommt nun als Propheten in letzter Instanz die Aufgabe zu, die archaischen Ängste, von denen wir geplagt werden, zu lindern.

Vielleicht lösen sich die Sorgen aber auch einfach in Luft auf. Die pessimistischen Hypothesen wären schnell wieder vergessen und die unbestreitbare Stärke der US-Wirtschaft stünde erneut im Zentrum der Aufmerksamkeit. In der Zwischenzeit bereiten wir uns auf alle Szenarien vor.

 

Veröffentlicht am: 04.02.2020

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